Randbemerkungen

EOD

Fröhlichen Erdüber­lastungstag allerseits! – Moment mal, war der nicht vor ein paar Monaten schon? Nein, das war unser natio­naler Earth Over­shoot Day; Deutsch­land, die olle Verschwen­derin, war dieses Jahr 85 Tage früher dran als der Planet im Durch­schnitt. Heute also haben wir als Gesamt­heit unserer Mutter Erde die Vorrats­kammer und den Kühl­schrank für den Rest des Jahres leer­gefressen. Wir alle, aber manche eben noch mehr als andere:

Balkengrafik, CO2-Emissionen pro Kopf und Jahr in Tonnen, weltweit. Linienmarkierung sehr weit unten, "nötig um die Pariser Klimaziele zu erreichen: 1,6 bis 2,8", dann vier Balken nach Reichtum: 
Untere 50% — 0,6
nächste 40% — 3,5
nächste 9% — 11,6
reichstes 1% der Bevölkerung — 48
Grafik aus dem verlinkten Artikel von kontrast.at

Deshalb der friendly reminder: Burn capitalism not fossil fuels!

***

Und was mir halt so durch den Kopf geht, wenn ich den ganzen Tag auf dem Rad sitze und medi­tativ durch die Hitze strample:

Summer Of ’22

Remember the summer of
Twenty-twentytwo, when
Europe’s worshipers of the
Sun first learned that
Shaded shelters are the
Gentler gods to glorify?
This notable summer we
Now fondly recall as
One of the coolest of the
Rest of our lives?

12 Comments

  • Aebby

    Ach Du sch… ich hatte mir das schon gedacht, aber nicht in dieser Deutlichkeit. Die ganze mediale Angstmacherei in Sachen Verzicht kann also getrost zun den Akten gelegt werden.

    • Christian Wöhrl

      Hm, jein. Der/die durchschnittliche Deutsche gehört zwar nicht zu den obersten 10 Prozent weltweit bei den THG-Emissionen, aber nur knapp. Die hiesige Pro-Kopf-Menge lag 2019 bei immerhin 7,8 Tonnen (Quelle) – was ich so lese, dass bei uns wohl nicht am unteren Einkommensrand nennenswert Überkonsum und Einsparpotenzial da ist, aber im Mittelfeld sicher noch reichlich.

      • Aebby

        Ja – klar, Potential gibt es noch viel, das wollte ich auch nicht in Abrede stellen.

        Das „mit den zu den Akten legen“ meinte ich so, dass viel Angst vor Verzicht geschürt wird um irgendwie beim alten Wirtschaften bleiben zu können. Richtig schmerzhafter Verzicht betrifft aber nicht die meisten sondern nur sehr wenige.

        Oder anders rum gesagt … um die gelbe Linie im Diagramm zu erreichen müssen sich manche sehr viel mehr anstrengen als andere.

        • Christian Wöhrl

          Das stimmt wohl – wobei ich mir schwer vorstellen kann, dass der (für einzelne Superreiche betrachtet sehr drastische) vollständige Verzicht darauf, sich Privatjet, Yacht und gelegentliche Weltraumflüge zu leisten, auch nur annähernd so schmerzhaft sein soll wie das angedrohte Runterdrehen der Heizung für Grundsicherungs-Haushalte …

          • Aebby

            Disclaimer: Das folgende ist wirklich frei von Ironie.

            Der physische Verzicht ist für Arme sicher viel schlimmer. (meine Meinung!)

            Bei den Reichen ist es vielleicht eher die psychische Komponente, die schwer wiegt. Ich habe in den letzten Wochen mit einigen wohlhabenden Menschen gesprochen, von denen zwei vielleicht zum unteren Rand der 10% Reichen gehören (zumindest haben sie einen Fuhrpark, der eine knappe Million gekostet haben dürfte). In einem Fall hatte ich das Gefühl, dass der Verzicht auf die wochenendliche Spritztour mit dem 400 PS Cabrio richtig schmerzhaft wäre. Die Vehemenz hat mich regelrecht geschockt. Beim Schreiben des Kommentars habe ich kurz in den technischen Daten des Herstellers des Fahrzeugs nachgeschlagen um die PS Zahl zu finden. Dabei bin ich auch über den Werbespruch gestolpert „Völlig unvernünftig“ heißt es da. Der Verzicht auf den Luxus der Unvernunft macht ggf. Angst, das kommt einem Verlust an Freiheit, Status und Identität gleich.

            Und nun der bittere Teil des Kommentars: Diese Verlustangst einer absurd falschen Vorstellung von Freiheit wird missbraucht um allen Angst zu machen und vom Problem abzulenken.

  • Christian Wöhrl

    @aebby, ich fange noch mal auf der oberen Antwortebene an, weil es auf dem Phone langsam unlesbar schmal wird …
    Dieses Mindset verstehe ich nicht. So gar nicht. Wie kann man im vollen Bewusstsein dessen, unvernünftig und schädlich zu handeln, dieses Handeln vor sich selbst und anderen rechtfertigen?
    Glauben die Multimillionäre dieser Welt ernsthaft, dass sie sich mittelfristig von den Folgen der Klimakatastrophe freikaufen können? Und dass das noch ein lebenswertes Leben sein wird, wenn sie auf hoher See auf ihren Schiffen mit Luft- und U-Boot-Abwehrsystemen sitzen oder in ihrer Gated Community hoch über St. Moritz, wo sie sich dann aus lauter Angst vor dem gemeinen Volk in die Hosen machen und keine Dienstboten mehr zu bekommen sind, die ihnen den A…llerwertesten abwischen? Was wollen die denn noch essen, was trinken, wer fabriziert ihre Kleidung und all ihre Luxusplaisierchen, wenn die Lebensbedingungen für die unteren 95 Prozent unerträglich geworden sind?

    • Aebby

      Ich verstehe es auch nicht – definitv nicht. Ich habe oben nur beschrieben was ich aus den Gesprächen „mitgenommen“ bzw. gespürt habe. Es hat sich angefühlt als würden wir aus anderen Welten stammen.

      Um jetzt nicht ganz in Trübsal zu verfallen noch eine witzige Anekdote am Rande: Als ich mit meinem Fahrrad neben dem 600 PS SUV angekurvt war, habe ich noch einen mitleidigen Kommentar zu meiner Nabenschaltung erhalten 😉

      • Christian Wöhrl

        Es ist wirklich erstaunlich, was manchmal so Mitleid erzeugt. Ich ernte auf Touren wie jetzt auch gelegentlich mitleidige Blicke, wenn irgendwelche Kerlchen, kaum halb so alt wie ich, bergauf ohne Gepäck, aber mit E-Unterstützung an mir vorbeisausen. Sie wissen ja nicht, dass ich sie dafür bedaure, dass sie jeden Abend irgendwo ankommen müssen, wo es eine Steckdose gibt – was mich hingegen in meiner Freiheit massiv einschränken würde 🙂

  • Detlef Steuer

    Ich glaube, wenn die Rechtfertigung für das Geldscheffeln wegfällt, fällt der Sinn des Lebens weg. Das Geld wird gescheffelt, um sich „etwas“ leisten zu können. Bei Menschen mit „unendlich“ Geld ist aber natürlich alles, was sie sich leisten, nicht mehr von Bedeutung, sondern auf jeden Fall reine Verschwendung, nur noch Kick. Das Kartenhaus kollabiert, wenn der Grund wegfällt, die Leere wird offenbar. Wir müssen weg vom Wachstum als unbedingt nötige Komponente uneserer Gesellschaft, hin zu einer steady state oder Gleichgewichtsgesellschaft. Leider, wie Ulrike Hermann so schön sagt, sind beide Gesellschaften zwar theoretisch stabil möglich, aber eine sanfter Übergang von unserer Wachstumsgesellschaft zur Nach-Wachstumsgesellschaft ist bisher unbekannt. Wobei eigentlich unsere aktuelle Lage bereits ausreichen sollte, um zu erkennen, dass die Wachstumsgesellschaft eben nicht stabil ist. Seufz. Übrigens ist man mit 3700 Euro netto schon in den Top 10% in D oder ab 477k€ Vermögen inkl Immobilien und damit sehr locker in den Top 10% der Welt. Allerdings ist die Verteilung der Verschwendung innerhalb der Top 10% noch extremer nach oben verzerrt, als in dieser Grafik für alle. Noch gefunden: Ab 26600 netto pro Jahr gehört man zum reichsten Prozent der Welt. (mit allen Problemen der Vergleichbarkeit, aber die hat ja auch die Grafik oben)

    • Christian Wöhrl

      Statistics never fail to amaze me… Wahrscheinlich liegen die 26600 noch ein gutes Stück über dem deutschen Median (finde mit meinen Bordmitteln keine aktuellen Zahlen), trotzdem sind vermutlich im weltweiten Vergleich überproportional viele Deutsche in diesem einen Prozent vertreten?

      Sanfter Übergang … die Herausforderung schlechthin :-/

      Nachtrag: Was die Verzerrung innerhalb der Grafik angeht, stelle ich mir das wie diese Fraktalbäumchen vor – wenn man reinzoomt, repliziert sich die Struktur. Bei Aufteilung der top 1% wiederum in 50–40–9–1 dürfte sich das Balkendiagramm annähernd wiederholen, nur eben mit viel höheren Zahlen an der Spitze.

  • Brigitte

    Es erschreckt mich immer wieder, dass es auf unserer Erde so „räuberisch“ zugeht und die Menschheit nicht dazu lernt, bzw. nur an eigene Vorteile denkt. Andererseits bin ich mir unsicher ob mein Verhalten gut oder richtig ist? z.B. ich besitze auch ein e-bike ersetze damit zwischenzeitlich Fahrten mit dem Auto, brauche nun Strom dafür weniger Sprit. Reicht es, wenn man sich für das kleinere Übel entscheidet? Auf der einen Seite Ja , ich versuche sparsam umzugehen, aber auch nein da es nicht der Idealfall ist. Zu den e-bike-sausern: lass die mal auf der Ebene gegen Dich antreten, dann schauen die blöd aus der Wäsche, ab 25km/h gibt’s keine Unterstützung mehr, da zählt was man in den Beinen hat 🙂 Aus Erfahrung weiß ich, dass es nicht so viele e-biker gibt die mit möglichst wenig Stromunterstützung fahren und dafür eigene Kraft einsetzen.
    Viele Grüße Brigitte

    • Christian Wöhrl

      Mit dem kleineren Übel ist oft ja schon viel getan. Ideales Verhalten ist in unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung kaum je umsetzbar – man schließt sich von vielem aus, und das muss man auch erst mal wollen.

      Hab selbst noch gar keine Erfahrungen mit E-Bikes, aber unterhalte mich immer mal mit Leuten, die welche fahren. Und ich glaube, mein Nutzungsprofil – weitestgehend ungeplante Touren, sowohl was die Strecke als die Länge angeht, und nicht verlässlich jeden Tag Ladeinfrastruktur erreichbar – ist bei solchen Rädern noch nicht vorgesehen.

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