Randbemerkungen

6000/58

Zwei Zahlen aus der aktuellen politischen Diskussion:

6000 Euro wurden gerade ins Gespräch gebracht als Abwrack­prämie, um den Absatz von Elektro­autos anzu­kurbeln. Immerhin nagen Teile der hiesigen Indus­trie (nach Ausschüt­tung der unver­meid­lichen Milli­arden-Divi­denden, versteht sich) vorgeb­lich am Hunger­tuch und müssen drin­gend vom Staat gerettet werden, der sich doch sonst gefäl­ligst aus dem heiligen Markt­geschehen heraus­zuhalten habe. Nun sollen also einmal mehr sämt­liche Steuer­zahlenden Geld in einen Topf werfen, aus dem dann dieje­nigen beschenkt werden, die ohnehin wohl­habend genug sind, sich einen Neuwagen leisten zu können – als ob derlei Umver­teilung nach oben nicht ohnehin Business as usual wäre.

Von nur einer einzigen solchen Abwrack­prämie könnte man acht­ein­halb Jahre lang ein Deutsch­land­ticket zum 2025er Preis von 58 Euro bezahlen und bekäme noch Wechsel­geld raus. Zehn Jahre lang sogar zum 2024er Tarif; aber einige Herr­schaften, die qua Amtes sowohl über Dienst­wagen als auch über die Bahn­card 100 für lau verfügen, hielten es gerade für ange­messen, das D-Ticket um geschla­gene 18 Prozent zu ver­teuern. Wer in Deutsch­land kein Auto unter­halten kann, soll offen­sicht­lich auch sonst keinen Anspruch auf Mobi­lität haben.

Und beides zusammen nehme ich als ein weiteres klares Indiz dafür, dass eine echte Verkehrs­wende, die sozial wie ökolo­gisch, lokal wie global seit Jahr­zehnten über­fällig ist, hier­zulande keine Chance hat, Mehr­heiten zu finden.

Wann haben wir eigentlich gesamt­gesell­schaftlich beschlossen, die kritik­lose Vereh­rung des motori­sierten Indi­vidual­verkehrs zur De-facto-Staats­räson, wenn nicht -religion zu erheben?

Diese komplett falsche Prio­ri­sierung dürfte jeden­falls zu den proble­matischsten Entwick­lungen in Deutsch­land seit der Mitte des vorigen Jahr­hun­derts gehören. Die Erfin­dung, massen­hafte Verbrei­tung und sukzes­sive Vergöt­zung des Auto­mobils, vorzugs­weise seines sog. Premium-Segments, hat nicht nur maßgeb­lich dazu beige­tragen, dass unser kleines Land unter den welt­weit größten Verur­sachern der Klima­krise weit vorn dabei ist, sondern es hält uns bis heute auf allen Entschei­dungs­ebenen davon ab, sinn­volle Lösungen für einige unserer drän­gendsten Probleme auch nur in Erwägung zu ziehen.

8 Comments

    • Christian Wöhrl

      Bin ein bisschen unsicher, ob diese Berechnung, die auf „jeder 35.“ kommt, nicht in die andere Richtung übertreibt. Sicher ist es hanebüchen, die Nahrungsmittel-Zulieferung für die Werkskantine der Automobilproduktion zuzuschlagen – denn wenn es keine Werkskantine gibt, essen die Leute irgendwo anders, die Nachfrage ist ja nicht weg. Aber zum Beispiel Stahlproduktion: Wenn keine Autos produziert werden, muss auch weniger Stahl erzeugt werden, das scheint mir schon voneinander abhängig zu sein.

      • Claus Hansen

        Wir haben so grob 45 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland und die Statistiken für von der Autoindustrie abhängige gehen meist so in die Richtung 700. – 800.000.

        • Christian Wöhrl

          Also diese 800.000 wären laut dem BUND-Artikel die Jobs direkt in der Autobranche einschl. Zulieferer, und dazu zählt der Beitrag noch mal rund 450.000 in Werkstätten, Tankstellen und Autohandel und kommt so auf „jeder fünfunddreißigste“. Was ich dabei bezweifle: Dass man es wirklich so trennscharf definieren kann, welche Arbeitsplätze in sonstigen Branchen vom Auto abhängen und welche nicht – diese Verhältniszahlen suggerieren eine Exaktheit, die ich nicht nachvollziehen kann. (Dass unabhängig davon die Relation 1:7 hanebüchen ist, darüber sind wir uns vermutlich einig :-))

          • uli

            Sagen wir mal so: wir dürftenwesentlich näher an der 35 liegen als an der 7. Und damit die systematische Benachteiligung zukunftsträchtigerer Wirtschaftszweige zu begründen, ist politisch nicht nur falsch, sondern auch dumm. Das macht mich sehr ratlos.

      • Claus Hansen

        1:7 ist Geschwafel.
        Schlimmer ist, dass die CDU, die so grob 230 bis 300.000 Solararbeitsplätze vernichtet hat sich womöglich erstarkend zeigt und es wieder eine GroKo gibt, in der wie jetzt alles in Abhängigkeit voneinander läuft. Hauptsache die Posten bleiben erhalten

  • Claus Hansen

    Uupps – das habe ich gedanklich nie überprüft, obwohl ich sonst immer sehr kritisch bin. Dass mir das durch die Lappen gegangen ist, echt unangenehm, dass man auf solche Lügen hereinfällt.

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