Dann doch lieber Linux
Voriges Jahr ungefähr um diese Zeit habe ich mich sehr gefreut, auf meinem 2012er Laptop auf dem Umweg über einen alternativen Bootloader noch mal ein aktuelles Mac-Betriebssystem installieren zu können. Aber dass MacOS selbst stabil und sogar noch einigermaßen flott auf dem Oldtimer lief, war ja nur die halbe Miete; entscheidend ist, ob auch die benötigten Programme bei der Sache mitspielen, und da sah es schon schlechter aus:
Denn praktisch sämtliche Software, die ich produktiv einsetze, sei es die von Adobe, Affinity oder DxO, ist in ihren aktuellen Mac-Versionen offensichtlich für Apple-Silicon-Chips optimiert. Die Performance-Unterschiede sind dabei durchgängig so enorm, dass ich fürs Büro inzwischen kapituliert habe und statt mit Intel-Macs nolens, volens auf einem M3Pro arbeite. Aber weil ich das 2012er Macbook viel angenehmer in der Handhabung finde als das 2023er, wird das alte halt weiterhin gern für private Zwecke genutzt. Und dann war die Überlegung: Wenn ich darauf sowieso nur noch Browser, diverse Kommunikations-Software und vielleicht noch Scribus und Gimp für gelegentliche Kreativschübe betreibe, weil der Rest nur noch ruckelt, dann muss es hier auch nicht mehr MacOS sein, sondern dann kann all die freie Software auch, quasi nativ, unter Linux betrieben werden.
Diese Umstellung war insgesamt eine enorm flotte, fast reibungslose Sache; aber weil unterwegs doch einige Dinge auf teils englischen Seiten zu recherchieren waren, sei das Procedere hier einmal Schritt für Schritt notiert:
Linux auf MacBook Pro (2012) installieren
Welche Distribution?
Das ist letztlich Geschmackssache, ein wichtiges Kriterium wäre für Nicht-Profis wie mich eine gute, leicht verständliche Dokumentation. (Hier gibt es eine Entscheidungshilfe als Fragebogen.) Ich hatte früher schon viel mit Ubuntu rumgespielt und fand ubuntuusers.de immer sehr hilfreich, habe mich aber auch unter Datenschutz-Aspekten diesmal für Mint entschieden.
Startfähiges System erstellen
Man lädt grundsätzlich die Distribution der Wahl als Datei herunter. Diese muss sodann auf eine DVD oder einen USB-Stick geschrieben werden – und zwar nicht einfach per Kopie, weil das Laufwerk dann nicht startfähig wäre. Man muss vielmehr ein ISO-Abbild erstellen; auf dem Mac verwende ich dafür das Hilfsprogramm Balena Etcher.
Installation
Wenn man den Mac vom Linux-Bootmedium startet, bietet es sich an, den Rechner per Ethernet-Kabel mit dem Router zu verbinden; denn dass die WiFi-Treiber später gesondert nachinstalliert werden müssen, scheint bei Linux recht häufig zu sein (bei mir war es noch jedes Mal so). – Die meisten Distributionen kann man auch erst mal vom Stick laufen lassen, um auszuprobieren, ob man mit der Bedienlogik zurechtkommt. Ich habe diesmal drauf verzichtet und direkt installiert. Solange man die primäre Festplatte des Rechners komplett dafür freigeben will und nicht etwa Dual- oder Triple-Installationen braucht, ist das bei Mint selbsterklärend.
Nachinstallieren (banal)
Das Schöne bei den anfängerfreundlichen Linux-Varianten ist, dass das Allermeiste für den täglichen Bedarf schon drauf ist. Browser, E-Mail, Office-Paket, GPG-Schlüsselverwaltung? Check. Für meine Zwecke nachinstallieren musste ich:
a) aus der Treiberverwaltung: den Broadcom-Treiber, um die WLAN-Funktion des Rechners nutzen zu können;
b) aus der Anwendungsverwaltung: Scribus, Inkscape, Darktable und Gimp als Grafikprogramme sowie KeePassXC als Passwort-Tresor. Das alles ging vollkommen reibungslos.
Nachinstallieren aus alternativen Quellen
Etwas kniffliger wird es bei Software, die nicht in den offiziellen Paketquellen der Distribution enthalten ist. Das war für mich bei zwei Programmen der Fall:
a) Den TOR Browser habe ich nach Methode 2 auf dieser Seite installiert. Das ist zwar nix Grafisches mehr, sondern lief über Terminal-Befehle, es hat aber gut geklappt.
b) Fast verzweifelt wäre ich hingegen an der Desktop-App für Signal. Auch dafür gibt es Kopiervorlagen fürs Terminal, aber die haben bei mir immer nur kryptische Fehlermeldungen generiert. Letztlich habe ich aber einen Hinweis gefunden, dass sich Signal nicht nur via apt, sondern auch über den bei Mint nicht standardmäßig eingerichteten Anwendungsmanager Snap installieren lässt: Siehe hier im Abschnitt Signal Messenger unter Linux Mint über Snap installieren.
Damit war dann auch schon fast alles erledigt – nur noch Tresordateien, gesammelte GPG-Schlüssel und Browser-Lesezeichen übers heimische Netzwerk übertragen sowie Thunderbird die IMAP-Daten für die wichtigsten Mailkonten verraten, und der alte Rechner war mit einem nagelneuen Betriebssystem arbeitsfähig.
Insgesamt fühlt es sich jetzt deutlich geschmeidiger an als die vorige Variante mit MacOS 15 unter OpenCore. Nur die Energieverwaltung der Hardware scheint unter Linux nicht ganz so gut zu sein; wenn ich bei 30% Rest-Batteriekapazität abends nur den Deckel zuklappe, statt auszuschalten, ist der Akku morgens leer. Aber da der Startvorgang sehr flott ist, lässt sich das verschmerzen.