Dunkelflauten des Verstandes
Wie kann es sein, dass eine Partei „Verbrenner modernisieren“ als Kernforderung kommunizieren und sich damit gute Chancen ausrechnen kann, nach der nächsten Bundestagswahl den Kanzler zu stellen? Ja, in Deutschland wurde das benzin- oder dieselgetriebene Auto erfunden und in großem Stil vermarktet. Das hat uns offensichtlich an die Weltspitze gebracht: Im Kreis der schlimmsten Verursacher der Klimakrise spielen wir weit oben in den Top Ten mit, zugunsten des materiellen Wohlstands weniger versauen wir dem Rest der Welt (und zunehmend ja auch uns selbst) den Planeten. Derweil haben wir uns so an die Bequemlichkeiten des stinkenden Individualverkehrs gewöhnt, dass wir dafür nahezu jeden Preis zu zahlen bereit sind: Wir leben mit einem ÖPNV, der mindestens ein halbes Jahrhundert hinter dem Möglichen zurückbleibt, und bringen dem Auto allein in Deutschland jedes Jahr mehrere Tausend direkte (Unfall-) und noch viel mehr indirekte Menschenopfer. Und das soll alles so bleiben, nur damit ein paar Konzerne, die die Elektrifizierung verpennt haben, auch weiterhin üppig Dividenden ausschütten können?
Auch bei ungefähr allem anderen, was aus dem Programm der CDU bereits bekannt wurde, frag ich mich, wie kaputt der eigene moralische Kompass sein muss, wenn man so etwas attraktiv findet.
— Selbstbestimmungsgesetz wieder rückgängig machen – ein Schlag ins Gesicht Abertausender, und zudem ist vollkommen unklar, wie das überhaupt gehen soll (zurück zum verfassungswidrigen Transsexuellengesetz von 1980 oder gleich ganz zurück in die Steinzeit?);
— Gewalt gegen Frauen („Frau“ vermutlich in der engstirnig-exkludierenden CDU-Definition gemeint) durch elektronische Fußfesseln bekämpfen wollen – im privaten Bereich offensichtlich Quatsch, zudem um ein Vielfaches teurer als bspw. die Unterstützung von Frauenhäusern (Quelle);
— Mehr Videoüberwachung, Vorratsdatenspeicherung und andere Klassiker des blinden Aktionismus: Mit solchen Forderungen lassen sich prima Stammtisch-Bedürfnisse bedienen, einen realen Nutzen in der Verhütung von Kriminalität haben sie nicht, und eine etwaige noch rechtere Regierung könnte mit diesem Instrumentarium große Teile der Bevölkerung prima terrorisieren. Über solchen Mist denkt man besser gar nicht erst nach!
Und dann ist da noch die Energiepolitik – Himmel, wie kann man nur so verbohrt sein? Seit Jahr und Tag blockieren und sabotieren sog. Konservative nach Kräften (und mutmaßlich im Auftrag und auf Rechnung der fossilen Energiewirtschaft) die Transformation hin zu sauberer, dezentraler, regenerativer Energie-Erzeugung, und auf diesem zerstörerischen Kurs wollen sie auch bleiben. Da soll der Weiterbetrieb von Atommeilern geprüft werden – was selbst dann, wenn es kurzfristig möglich wäre, absurd hohe Gestehungskosten für die Kilowattstunde brächte –, und man möchte den ersten Fusionsreaktor der Welt bauen, eine Märchentechnologie bekanntlich, die seit ihrer Erfindung kontinuierlich zwanzig Jahre vor der Marktreife steht. Wind und Sonne hingegen dürfen auf keinen Fall als Energiequellen gefördert werden – denn dafür müsste man eigene Fehler der Vergangenheit eingestehen, und von der dafür erforderlichen geistigen Größe ist die aktuelle CDU-Führung selbst dann noch einen Meter entfernt, wenn man das gesamte Präsidium stapelt …
Da ich schon das Wort „Dunkelflaute“ in der Überschrift habe: Hier ist was Interessantes über die Preisspitzen dieser Woche, gefunden beim nicht eben für linksgrünen Radikalismus berüchtigten Bayerischen Rundfunk:
Wie die Bundesnetzagentur berichtet, sind die deutschen Betreiber von Braunkohle- und Steinkohlekraftwerken ihren Verpflichtungen aber über mehrere Tage nicht nachgekommen und haben an der Energiebörse wesentlich geringere Strommengen angemeldet. Die Betreiber von Gaskraftwerken sprangen nun nicht – wie politisch von Bundesregierung und Netzagentur gewollt – in die Lücke: Sie lieferten ebenfalls viel weniger Strom als üblich.
Das bedeutet, dass große Energiekonzerne, die nicht nur Kraftwerke betreiben, sondern zugleich auch Strom liefern, an der sich abzeichnenden Versorgungslücke mit den hohen Preisen verdienen, die sie vorher selbst verursachen.
Und weiter unten im selben Artikel:
Ein Konzern, der zugleich Kohlekraftwerke und Gaskraftwerke hat und in Erneuerbaren investiert ist, kann sich daraus den für ihn besten Strom-Mix gestalten. Noch interessanter ist das für Energiekonzerne, deren Marktmacht sich auch noch auf Stromnetze und kurzfristige Lieferungen erstreckt.
Man kann es nicht oft genug sagen: Attraktiv an zentralisierter privatwirtschaftlicher Stromerzeugung ist vor allem ihr Profit- und Korruptions-Potenzial. Politiker*innen, denen mehr am Wohl der Bevölkerung als an ihrem eigenen gelegen ist, sollten gegen die Sirenengesänge von RWE, Vattenfall u.a. immun sein.
Hier sind ein paar Bilder von Donnerstag, als ich unterwegs war zum letzten Concert for Future der Saison:
Hatte kein Stativ dabei, deshalb sind alle Bilder außer dem letzten (da gab es ein Geländer zur Auflage) ziemlich grisselig. Na ja, besser als nix allemal … Aber was ich partout nicht verstehe: Wieso darf so ein Kreuzfahrer (die Artania ist das aktuelle „Traumschiff“) am Kai liegen und vor sich hin dieseln, statt Landstrom zu beziehen?
Kleine Auftragsarbeit für meinen Schneidplotter – wenn man einen Tesla fährt (nicht ich!), muss man nämlich mit kritischen Fragen rechnen 🙂
Sind ja aber nicht alle so kritisch gegenüber Elon Musk: Wenn du so reich bist, dass du dir das Ergebnis einer US-Wahl kaufen kannst, und zunehmend offen mit dem Faschismus sympathisierst, macht dich das für meinen Lieblings-Namensvetter, den Lindner Christian, offenbar zum Vorbild, hm. Deshalb hoffe ich ja, die FDP versteht es richtig, dass sie neben der Union die größte Empfängerin von Parteispenden seit dem Ampel-Crash ist: Nehmt das Geld, gönnt euch ’ne Auszeit (anständige Menschen wählen euch derzeit sowieso nicht), und kommt nach einem Sabbatical bitte erst zur Bundestagswahl 2029 zurück – dann auch gern mal wieder mit seriösem Personal …