Göttingen–Frankfurt/M.: 2600 Kilometer
„Das ist bestimmt ein großes Abenteuer!“, sagte der mir nicht namentlich bekannte Kollege, selbst nur mit Tagesgepäck unterwegs, der eingangs der Gailbergstraße hoch zum Kartitscher Sattel kurz das Tempo drosselte, weil er neugierig war, wohin ich mit all meinem Campingzeug auf dem Renner wohl unterwegs sei. Und ja, für meine Verhältnisse war’s recht abenteuerlich:
Am Anfang stand die Überlegung, dass ich diesen Sommer eine meiner Nichten bei ihrem Saison-Job auf der Zollnersee-Hütte am Karnischen Höhenweg besuchen könnte, und zwar, klare Sache, mit dem Fahrrad. Und wenn ich schon mal in diese Richtung unterwegs war, dann könnte ich auch noch diverse andere Besuche zu einer Rundreise kombinieren – an Main und Donau, im österreichischen Waldviertel und an der Schwäbischen Alb … und da man von den Karnischen Alpen aus schon die Dolomiten sieht, mussten die zumindest auch noch touchiert werden.
Nun war mir das Wetter dabei nicht immer hold, um nicht zu sagen, einige Tage lang war ich unter der jeweils dicksten Regenwolke unterwegs. Zwischendurch waren auch mal zwei Pausentage erforderlich, weil die Vorhersage gar zu grauslich war und ich schon kaum was Trockenes mehr anzuziehen hatte. Trotzdem war es insgesamt eine super Unternehmung. Dabei sind in netto drei Wochen 2600 Kilometer und immerhin 37.000 Höhenmeter zusammengekommen – und abseits technischer Daten jede Menge schöner Erlebnisse.
Wenn ihr mehr über die einzelnen Abschnitte lesen wollt, ⇢ schaut gern in die Umap-Karte, die ich jeweils tagesaktuell mit den GPS-Mitschnitten gefüttert habe. Dort gibt es links per i-Button auch Detail-Beschreibungen der Etappen.
Wer mehr fürs Visuelle ist: Hier kommen erst mal ein paar kommentierte Momentaufnahmen, außerdem gibt es eine ⇢ Bildergalerie mit rund 250 Fotos, ladefreundlich aufgeteilt auf vier Einzelseiten.
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So rapide hat mich noch nie ein Sturm erwischt … Längs dieser Front war ich im thüringischen Eichsfeld sicher eine Stunde unterwegs, aber nachdem ich dies Bild gemacht hatte, konnte ich kaum noch die Kamera verpacken, da peitschte der Regen schon waagerecht übers Land und ich kauerte mich erst mal ein Viertelstündchen in den Straßengraben.

Die „Madonna im Weingarten“ wacht über den Volkacher Campingplatz. Sie konnte allerdings nicht verhindern, dass mich eine Horde Jungvolk durch Feiern bis zum Sonnenaufgang um die komplette Nachtruhe brachte.

Dieser Radweg südlich von Ansbach bündelt ungefähr alle Radwander-Routen der Region. Hübsch, nicht? (Ich bin kurz darauf abgebogen und nach Sonnenstand über viel schönere Nebenstraßen gefahren.)

Den Weiler Oel in der Oberpfalz findet man nicht per Google Maps, ich habe das aus familiär bedingtem Interesse geprüft. Liegt es vielleicht daran, dass das Streetview-Auto das Schild nicht lesen konnte?

Kurz hinter Regensburg: ein attraktiver Rastplatz am Donauradweg, so richtig mit Schatten und Sitzgelegenheiten. Für die nächsten 100 km allerdings der Einzige seiner Art.* Wär’ ich Tourismusmanager, ich würde Regensburg–Passau als Klimapädagogik-Radweg vermarkten unter dem Motto „Erlebe die Dürre“ 🙂
* ein Teilstück der Hauptroute war wg. Baustelle umgeleitet, evtl. ist mir also einer durch die Lappen gegangen. Trotzdem für seine Beliebtheit ein insgesamt sehr unzureichend gepflegter Weg

Vielleicht kein Premium-Radweg*, aber an der Erlauf fand ich es trotz des mittlerweile üblichen Regens besonders schön. Das felsig-zerklüftete Ufer ist durchsetzt von Höhlen, die wohl schon zur Römerzeit genutzt wurden.
* wobei dieser Abschnitt auch gar nicht zum offiziellen ERW gehört – meist asphaltiert und sinnreich abseits des Motor-Verkehrs geführt ist der schon …

So oder ähnlich sah das Regenradar für Murau/Steiermark über mehr als 48 Stunden aus. Gut daran war einzig, dass mir die Pause Zeit gab, beim örtlichen ⇢ Radldoktor die zuletzt etwas zickige Bremse überholen zu lassen.

So in etwa sieht die Piste zur Zollnersee-Hütte auf ca. 15 km aus – hier hat mich gerade der Lebensmittel-Lieferant überholt. Mit dem Rad macht das ja mächtig Freude (rauf noch mehr als runter); im Auto würd ich mich erst gar nicht auf so eine „Straße“ wagen. Aber wenn man erst mal aus dem Wald rauskommt … traumhaft (siehe Handy-Panorama unten).


Italienische Radwege sind oft sensationell gut, so auch zwischen Brenner und Bozen. Genau dort war der österreichische Kidical-Mass-Kollege mit seinem Sohn unterwegs.

Und deutlich später am Tag, auf der Abfahrt vom Penser Joch Richtung Brenner – viel schöner geht es doch kaum mehr!

Die einzigen paar Minuten während der Querung des Hahntennjochs, die es nicht geregnet hat, waren dankenswerterweise die mit der spannendsten Aussicht. – Es sieht leider nur so aus, als sei dort rechts unterhalb des spitzen Gipfels die Passhöhe; dahinter geht es noch ein Weilchen weiter bergauf.

So viel Drama wie die Alpen hat die Schwäbische Alb nicht zu bieten, aber schön ist es da auch, hier z.B. Zwiefalten mit dem Münster (und einer schnuckligen Serpentinenstraße von dort hinauf).
⇢ zu den Etappen (Landkarte, extern) • ⇢ zur Bildergalerie Teil 1



8 Comments
Brigitte
Wow Christian,
sehr schöne Fotos und eine suuper Leistung ! Volle Bewunderung (und der Beweis, dass man ohne Motor und ohne Montainbike diese Strecken fahren kann 🙂 ) Darfst gerne bei der nächsten Tour im HN-Land hier eine Pause einlegen.
Viele Grüße Brigitte
Christian Wöhrl
Moin Brigitte,
ha!, bei einer Pause in HN-Land hätte ich sicher ein paar Insider-Tipps abstauben können, auf welchem Neckar-Abschnitt sich welches Ufer anbietet … Rückblickend hätte ich zB auf das ausgiebige Industriegebiet-Sightseeing rund um Neckarsulm gut verzichten können 🙂
derbaum
aber hallo, ich bin ja auf der karte tagesaktuell ‚mitgefahren‘ aber das haut dem fass die krone ins gesicht! ich ziehe meinen hut – im wahrsten sinne des wortes – und werde das in ruhe für mich nachlesen und verdauen! Danke fürs mitnehmen und erhol dich gut vom urlaub!
Horst
Hallo Christian,
eine phantastische Tour. Da ziehe ich glatt den Hut, dass du das bei dem Wetter durchgezogen hast. Die Runde wäre selbst bei gutem Wetter ein Abenteuer gewesen. Das Hahntennjoch kenne ich gut. Von Süden her ist das ein elend langer Anstieg.
Glückwunsch und viele Grüße
Horst
rappel
Holladiputz, da wollte es aber jemand ganz genau wissen. Hut ab vor deiner Leistung, und danke fürs Mitnehmen und die schönen Bilder.
uli
Auch von mir nochmal ein Dankeschön für den Besuch und das bildliche Mitnehmen auf eine sicher unvergessliche Tour. Hätte ich ein Bild von dir gemacht, könnte ich dem staunenden Publikum hier zeigen, wie frisch du nach all den Kilometern bei uns ankamst. Meine Hochachtung!
Christian Wöhrl
Danke euch allen für die Kommentare! Ist ja an sich nicht mein Stil, so viel so lange unkommentiert zu lassen, aber nach fast einem Monat out-of-office war dann doch ein bisschen was anderes zu tun, als sich privat im Internet herumzutreiben 🙂
Aebby
2600 / 37000 – das ist fast eine komplette Tour de France – Respekt!!! Vielen Dank fürs Teilen und die tollen Bilder. Das Bild des aufziehenden Sturms ist bedrohlich faszinierend.