Bevor es losgeht: Wozu überhaupt der Aufwand?
Digitales Low-Budget-Großformat
- 1: Bevor es losgeht: Wozu überhaupt der Aufwand?
- 2: Eine bastelfreundliche optische Bank
- 3: Und was kommt vorn und hinten dran?
- 4: Die digitale Fachkamera im Einsatz
Schon klar: Viele Bildeffekte, die mit einer verstellbaren Großformatkamera (oder Fachkamera) erreichbar sind, lassen sich mehr oder weniger überzeugend auch bei der Nachbearbeitung digitaler Fotos aus einer normalen Kamera erzielen – zumindest sofern man das bei der Aufnahme schon einplant. Ein wesentlicher Vorteil beim handwerklichen Selbermachen besteht darin, dass man dabei lernt, *warum* etwas passiert: Ich verschwenke die Bildebene gegen die Objektivebene, und plötzlich habe ich einen völlig anderen Schärfeverlauf im Bild – wenn ich so einen Effekt rein optomechanisch erzeuge, kann ich Ursache und Wirkung buchstäblich be-greifen. (Und danach fällt es übrigens auch leichter, die entsprechenden Hilfslinien und Ankerpunkte im Tilt-Shift-Tool der Fotosoftware gezielt zu bedienen statt nur aufs Geratewohl.)
Dazu kommt, wenn man dazu neigt, ein immenses Vergnügen bei der Benutzung der Gerätschaften, völlig anders und, wie ich finde, viel intensiver als bei hochmoderner Elektronik. Die Bedienung so sperriger, schwerer Hardware ist ordentlich körperliche, mitunter schweißtreibende Arbeit – und entsprechend befriedigend. Für mich funktioniert das glücklicherweise auch, wenn ich, wie im Folgenden beschrieben, statt der Planfilmkassette eine Digitalkamera zur Bildaufzeichnung adaptiere. (Obwohl es noch ein klein bisschen mehr Spaß macht, Film in großen Formaten zu belichten. Aber das hat ja auch seine Nachteile.)
Einige Beispiele dafür, was möglich ist, wenn man eine Digitale als Rückteil einer Fachkamera verwendet (das eine oder andere Foto kennt ihr bereits aus der Kategorie Digitales Composing meines Blogs):
***
Klassische Sujets sind Architektur- und Produktfotos. Durch geeignetes Verschieben der Objektiv- und der Bildebene gegeneinander (Shift) sind detailreiche Schrägansichten ohne unschöne „stürzende Linien“ möglich:
Und indem ich solche Fotos an der Fachkamera aus mehreren Einzelbelichtungen zusammensetze, erziele ich eine deutlich höhere Auflösung (siehe winziger Ausschnitt des Schiffshebewerks), die ich zwar nominell fürs Internet nicht brauche, die aber auch die Web-Darstellung verbessert: Ob ich eine 1600 Pixel breite Datei aus einem z.B. 4000 px breiten Foto oder aus einem 12.000 px breiten Composing skalieren lasse, kann je nach Motiv einen enormen Unterschied für Detail- und Tonwertreichtum sowie die plastische Anmutung machen.
***
Kombiniert man den Shift mit dem Verschwenken der Objektiv- und Bildachse gegeneinander (Tilt), dann lässt sich neben der perspektivischen Darstellung auch die Lage der Schärfe im Bild beeinflussen. In diesem Beispiel liegt sie ungefähr parallel zur Oberfläche des Winkelhakens, der seinerseits schräg in die Tiefe des Bildes läuft; dazu musste ich nicht weit abblenden, sondern nur das Objektiv ein paar Grad schwenken, bis Motiv-, Objektiv- und Sensor-Ebene einen gemeinsamen gedachten Schnittpunkt hatten (bei Detailbedarf findet ihr im Netz viel über die Scheimpflugsche Regel).
***
Bisher ging es darum, Bilder technisch zu verbessern. Noch viel spannender finde ich, wie sich durch die Beeinflussung von Perspektive und / oder Schärfe Schwerpunkte verschieben und die Blicke lenken lassen (ja, auch die Eule ist – aus einiger Entfernung – mit der Fachkamera auf großem Stativ aufgenommen):
***
Hier noch eine Auswahl von, sagen wir, exzentrischem Arbeiten mit der Tilt-Funktion. Beim Vogelhäuschen ist der Effekt noch subtil, die Schärfe folgt quasi einer schrägen Schneise durch den Wald; das Geländer über den Bach ist auf voller Länge scharf, aber nicht seine (fotografisch unwichtigere) Seitenwand; das Pfaffenhütchen-Panorama ist außer durch den kräftigen Schwenk auch durch die Eigenheiten des hier verwendeten Plattenkamera-Objektivs von ca. 1920 geprägt; und die relativ extremen Verschwenkungen der anderen beiden Bilder erzeugen für mein Empfinden eine geradezu surreale Atmosphäre. – Das ist alles nicht mehr unbedingt lehrbuchkonform; aber sind Regeln etwa nicht dafür da, gründlich erlernt und dann im geeigneten Moment bewusst ignoriert zu werden?
***
Und zu guter Letzt erweitert eine Fachkamera auch erheblich die Möglichkeiten der ohnehin faszinierenden Kombination aus Digitalkamera und Lochblende. Schließlich wirkt so ein Pinhole wie ein verzeichnungsfreies Ultraweitwinkel und ist ein bisschen unterfordert, wenn man es nur in einen gebohrten Gehäusedeckel klebt …
In Teil 2 schauen wir uns an, was wir für derlei Bastelei an Hardware brauchen.
***
Digitales Low-Budget-Großformat
- 1: Bevor es losgeht: Wozu überhaupt der Aufwand?
- 2: Eine bastelfreundliche optische Bank
- 3: Und was kommt vorn und hinten dran?
- 4: Die digitale Fachkamera im Einsatz