Die digitale Fachkamera im Einsatz
Digitales Low-Budget-Großformat
- 1: Bevor es losgeht: Wozu überhaupt der Aufwand?
- 2: Eine bastelfreundliche optische Bank
- 3: Und was kommt vorn und hinten dran?
- 4: Die digitale Fachkamera im Einsatz
a) Aufnahme
Für dieses Beispiel bin ich der Einfachheit halber im Werkstatt-Keller geblieben und habe eine meiner antiken Balgenkameras mit einfacher Beleuchtung in Szene gesetzt. Es ist eine recht steile Aufsicht, bei der ich darauf geachtet habe, dass sowohl Objektiv- als auch Sensorebene senkrecht bleiben, damit keine stürzenden Linien entstehen, und weil ich (aus Gründen der räumlichen Enge) etwas schräg über den Tisch fotografierte, habe ich zusätzlich das Objektiv um einen Zentimeter seitlich verschoben, um den Verlauf der Hintergrund-Kante waagerecht zu halten.
(Dass ihr euch mit den grundlegenden Bedienungselementen der Kamera beschäftigt habt, setze ich an dieser Stelle voraus. Das Prinzip ist ja immer das gleiche: Um eine Ebene zu verstellen, muss an der Basis ein Knopf gelöst werden, oben an der Standarte jeweils zwei. Dann dreht, kippt oder verschiebt man in die gewünschte Richtung und, ganz wichtig, dreht den oder die Knöpfe wieder fest.)
Weil ich es selbst anfänglich falsch gemacht habe: Das gilt auch für die Seiten-Verschiebung an der Basis, die ihr nachher für zusammengesetzte Bilder nach jeder Aufnahme braucht; denn die Spannung, die nach Verstellung auf dem Balgen lastet, sorgt dafür, dass die Standarte sonst eine Winzigkeit kippelt, und das kann später beim Zusammensetzen des Composings in der Bildbearbeitung Probleme bereiten.
Für so eine Aufsicht wie hier (gleiches gilt für eine Untersicht) gibt es bei der optischen Bank generell zwei Einstell-Optionen, von denen für uns allerdings eine wichtiger ist als die andere:
Das linke Bild zeigt die intuitiv vielleicht näher liegende Möglichkeit: Man kippt das Grundrohr in Richtung des Motivs und kippt dann beide Standarten wieder zurück in die Senkrechte (sog. indirekte Parallelverschiebung). Das funktioniert bei Film-Fotos super, hat aber mit der Digitalen einen Nachteil: Sobald wir mehr als nur 1x die Sensorhöhe aufnehmen wollen, müssen wir die Digi an den Standarten-Streben in der Höhe verschieben. Und weil die Cambo ihre Standarten nicht an der Basis, sondern an der Objektivachse neigt, verändert sich dabei die Entfernung vom Sensor zum Objektiv – jede neue „Zeile“ des Bildes müsste nachfokussiert werden, was kaum in der nötigen Perfektion möglich ist. Deshalb achtet darauf, bei mehrzeiligen Panoramen die Standarte mit dem Sensor immer im 90°-Winkel zum Grundrohr zu halten. In diesem Fall (Objektiv und Sensor sollen parallel bleiben, Tilt brauchen wir nicht) bleibt also auch die vordere Standarte senkrecht, und ich nutze (Bild rechts) eine direkte Parallelverschiebung, indem die Standartenrahmen vertikal gegeneinander verschoben werden.
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Die ungefähre Einstellung erfolgt erst mal auf der Mattscheibe und zunächst bei offener Blende für das hellstmögliche Bild. Das funktioniert tatsächlich am besten wie anno dunnemals, indem man ein dunkles Tuch über die Kamera und sich selbst zieht, sonst sieht man auf der Mattscheibe so gut wie nix. Und was man darauf sieht, ist kopfstehend und seitenverkehrt – hier sind kein Spiegel, kein Reflexsucher und keine Elektronik im Spiel, die das Bild umdrehen könnten. Das passiert erst, wenn wir die Mattscheibe gegen die Platine mit der (vorher montierten) Digitalkamera tauschen und diese einschalten – die zeigt dann nur den zentralen Bildbereich, den aber aufrecht und seitenrichtig.
Wie sich am Linienraster auf der Mattscheibe abzählen lässt, wird das Hauptmotiv hier ca. 6×8 Zentimeter groß abgebildet, plus etwas Drumherum also rund 7×9 cm. Jetzt fahre ich erst mal mit der Sensor-Standarte das Bildfeld bis in die Ecken ab und schaue, ob alles draufpasst. In diesem Fall stelle ich fest, dass an den Randbereichen irgendetwas abschattet (das ist bei diesem Format noch nicht der Bildkreis des Objektivs, sondern eher ein Schattenwurf in der internen Konstruktion meiner Digi-Adaption):
Dafür gibt es einen schönen Trick: Wir nutzen einfach nur den mittleren Bereich des Sensors und machen nachher entsprechend enger überlappende Einzelfotos. Das hat zudem den Vorteil, dass die Ränder des Sensors, wo sich der meiste Staub tummelt, ausgeschnitten werden, was viel Mühe in der Nachbearbeitung spart. Bei der a7 kann man dafür von Fullframe auf APS umschalten – dann passt auch gleich die Monitordarstellung –, ansonsten schneiden wir hinterher in der Bildbearbeitung zurecht.
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Während wir das Motiv einmal „durchfahren“, ist auch zu überlegen, wo wieviel Schärfe liegen soll. Ich wollte nur vorn am Verschluss der Motiv-Kamera perfekte Schärfe haben, nach hinten sollte es so unscharf werden, dass das Agfa-Logo verschwommen, aber gerade noch erkennbar ist. Das lässt sich mit der Spiegellosen viel leichter beurteilen als auf der Mattscheibe, weil auch beim Abblenden die Helligkeit des Monitor- oder Sucherbildes nachgeregelt wird. In diesem Fall habe ich letztlich Blende 22 eingestellt.
Jetzt noch einmal zurück in die Mitte des Motivs, um eine Belichtungszeit festzulegen, die per M-Modus dann für alle Einzelaufnahmen gilt. Tipp: ISO-Automatik ausschalten nicht vergessen 😉 Es kann, damit die Verschlusszeiten nicht zu lang werden, ruhig etwas höhere Empfindlichkeit eingestellt werden, weil wir ja nachher ja eine viel größere Sensorfläche haben als einzeln – in puncto Rauschen wird die technische Qualität eines Composings der einer Einzelaufnahme mit 2–3 Stufen niedrigerer ISO bei vergleichbarer Präsentationsgröße allemal ebenbürtig sein. Bei meinem Motiv kam ich auf je 1,3 Sekunden bei ISO 800. Ach ja, und das Raw-Format sollte eingestellt sein, allein schon, um die Weißbalance hinterher zu vereinheitlichen (oder ihr macht den Weißabgleich schon in der Kamera, aber dafür wär’ ich ja zu faul).
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Dann kann’s losgehen. Fangt z.B. in der linken oberen Ecke des Motivs mit der Belichtung der Serie an; achtet dabei auf Verwacklungsfreiheit. Selbstauslöser mit 5 Sekunden Vorlauf wäre eine Option, komfortabler wird’s mit Kabel- oder Funkauslöser. In der Sony habe ich eine App namens Touchless Shutter installiert, die den Augensensor des Suchers nutzt – ich muss also nur mit dem Finger am Sucher vorbeiwischen und klick!
Nun würde ich zeilen- vor spaltenweise vorgehen; also alle Bilder einer Reihe aufnehmen, dann an der Standarte um gut die halbe Sensorhöhe verschieben und die nächste Reihe gegenläufig. Ob man sich vorher ausrechnet, wie viele Millimeter man verschiebt, oder auf Sicht am Sensor auf Überlappen achtet, ist wohl Geschmackssache. Jedenfalls ist Mitzählen pro Reihe hilfreich – wenn ich z.B. sieben Belichtungen für die ganze Breite brauche und bei fünf schon am Anschlag der Verstellung bin, habe ich wohl was vergessen.
Damit die Software nachher gut arbeiten kann, überlappe ich lieber etwas mehr; in diesem Beispiel bin ich auf 98 Aufnahmen gekommen – 7 horizontal mal 14 vertikal. Die gilt es jetzt noch zu verarbeiten:
b) Bildmontage
Die vielen Bilder sind auf dem Rechner gelandet. Wie ihr grundsätzlich mit Rohdaten umgeht, werdet ihr wissen. Für hier ist erst mal interessant: Nehmt euch im Raw-Konverter einen Ausschnitt aus der Mitte des Bildes, der sowohl Spitzlichter als auch Schatten umfasst und an dem ihr den Weißabgleich gut beurteilen könnt. Bearbeitet das Bild behutsam ohne viele Effekte oder starkes Nachschärfen und setzt einen geeigneten Zahlenwert (nicht „automatisch“) für die Weißbalance. Diese Bearbeitung übertragt ihr dann auf alle Bilder der Serie.
Wenn es immer noch Ausschnitte gibt, in denen Abschattungen auftreten, schneidet die Bilder entsprechend zu. Im Beispiel rechts ist noch ein runder Schatten in der rechten oberen Ecke; hier habe ich zwei virtuelle Kopien der Datei angelegt und insgesamt drei verschiedene Zuschnitte gemacht, um der Panorama-Software möglichst viel Material zu liefern.
Die bearbeiteten Rohdaten werden dann exportiert, um daraus das Composing zu erstellen, zum Beispiel als 16-bit-Tiffs, damit hinterher noch genug Tonwerte zur finalen Verarbeitung da sind. Bei mir ist fürs Panorama Affinity Photo zuständig. Damit setze ich die vielen Einzelbilder zusammen, beschneide aufs Endformat, und dann erst kommt die finale Farbabstimmung und sonstige Feinbearbeitung.
In diesem Fall war mir die Farbigkeit zu intensiv und mir war mehr nach einem entsättigten, nicht-ganz-schwarzweißen, aber eben auch nicht bunten Foto, nach zwei Minuten Reglerschubsen war das Bild links entstanden:
Rechts daneben mal zum Vergleich dasselbe Motiv, aber fotografiert mit der alten DSLR und 75-mm-Objektiv plus etwas Zuschnitt bei ISO 200; um ähnliche Schärfe-Verhältnisse bei den Agfa-Schriftzügen oben und unten zu erzielen wie im Composing, war hier Blende 5,6 nötig. Beide Bilder sind auf 1600 px an der langen Seite skaliert, wobei das einzelne von netto knapp 7,5 Megapixeln kommt, das Composing war nach Zuschnitt noch knapp 95 Megapixel groß. Die perspektivische Darstellung ist bei der Einzelaufnahme etwas gedrängter, aber vor allem fallen die Unterschiede bei den Details, insbesondere in den Schatten, ins Auge (achtet auf das Gehäuse unter dem Laufboden). Auch zeigt das Einzelbild durch die schräge Aufsicht einen Schärfe-Verlauf in der hohen Seitenwand, der sich mit der Fachkamera vermeiden ließ, da die Seitenwand und der Sensor hier parallel eingestellt waren.
Wobei man – das gebe ich gern zu – durchaus der Meinung sein kann, dass die weichere, nicht ganz so detaillierte Darstellung rechts schmeichelnder sei; aber entscheidend ist: Was da rechts an Details und räumlicher Tiefe drin ist, ist in diesem Fall schon das Maximum für die gegebene Blende, schärfer wird’s nicht mehr. Links die Schärfe reduzieren, Kontraste abschwächen, weichzeichnen – das wäre alles kein Problem. Details wegnehmen ist trivial; aber hinzufügen, wo keine sind? Da wird’s schon kniffliger. Dann doch lieber ordentlich selbst machen 🙂
Schlusswort
Ihr seht: Mit ziemlich altem Kram kann man ziemlich cooles Zeug machen. Wenn ihr etwas Inspiration für eigene Projekte und vielleicht jetzt schon eine Idee bekommen habt, was ihr mit diesem einen Dingens ganz hinten im Schrank doch noch mal ausprobieren könnt, hätte diese Miniserie ihren Zweck erfüllt. Viel Spaß beim Tüfteln!
Digitales Low-Budget-Großformat
- 1: Bevor es losgeht: Wozu überhaupt der Aufwand?
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