Und was kommt vorn und hinten dran?

Digitales Low-Budget-Großformat

a) Objektiv

Wenn man Groß­­format-Foto­­grafie ernst nimmt, kann man bei den Optiken immensen Aufwand treiben – bis dahin, dass manche Brenn­­weiten für Abbil­dungs­­maßstäbe um 1:1 und für den Fern­­bereich als sepa­rate Objek­tive konstru­iert werden. Zum Glück sind wir zum Spaß hier und brauchen im Prinzip nur irgendwas Durch­sichtiges … Wobei die Mindest­anforderung darin besteht, einen einiger­maßen großen Bildkreis auszu­leuchten, damit sich die Kamera ein biss­chen verstellen lässt und wir Pano­ramen zusammen­setzen können (mehr über Bild­kreise findet ihr im Internet reich­lich); aber das ist bei allen expli­ziten Groß­format-Objektiven gegeben. Und was ihr sonst noch so benutzen könnt, darüber schreibe ich weiter hinten noch was.

Zuerst allgemein zum Brenn­weiten­bereich: Viel­leicht war bei der Kamera, die ihr gefunden habt, schon ein Objektiv dabei. Viel­leicht ist es ein 1:5,6/150 mm; das wäre das 4×5-Zoll-Äqui­valent zum 1,8/50 damals an der Revue­flex – ein gutmütiges Normal­objektiv, das fast jede*r hatte. Diese 150 mm Brenn­weite entsprechen (sehr grob gesagt) dem Abstand zwischen den beiden Stan­darten bei Unendlich-Fokus; bei Abbildungs­maßstab 1:1 verdop­pelt sich der Auszug auf 300 mm usw. Das Standard-Grundrohr ist bei der Cambo 54 Zentimeter lang, ein Objektiv mit 150 mm Brenn­weite kommt also bei vollem Auszug recht weit in den Nah­bereich. Bis 300 oder 400 mm ist noch anständig viel Fokus­bereich gegeben, Objektive ab ca. 600 mm1 brauchen demnach ein längeres Grund­rohr, um auch nur auf Unend­lich einzu­stellen. Und je kürzer die Brenn­weite, desto mehr Makro ist drin, theoretisch.2 Prak­tisch erweisen sich bei mir etwa 90 mm als sinn­volle Unter­grenze, um weit in den Makro­bereich vorzudringen.

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Zur Verbin­dung mit der Fach­kamera braucht das Objektiv eine Platine, in die es montiert wird. Die hat hier dasselbe Außen­profil wie alle anderen Anbau­teile (Balgen, Matt­scheibe), nur die Ausspa­rungen für die Verrie­gelung sind meist nur auf einer Seite – sie passen also nur in einer Ausrich­tung in die Standarte. Solche Platinen gibt es versenkt (das ist wieder ideal für eher kurze Brenn­weiten, der Blenden­-Mecha­nismus am Objektiv ist hier etwas schwie­riger erreichbar) oder plan. Weil das Profil der Cambo-Platinen recht einfach ist, stelle ich mir vor, dass die sich auch sehr gut im 3D-Druck nachbauen lassen.

Bei mir sieht die Standard-Platine an der Cambo etwas eigen­williger aus: Und zwar habe ich eine plane Platine beim Metall­bauer groß­zügig ausfräsen lassen und dann ein paar Dich­tungen und Beschläge montiert, um die sehr viel klei­neren Platinen meiner mit Film genutzten Lauf­boden­kamera adap­tieren zu können, was mir viel Arbeit fürs Hin- und Hertauschen erspart. Ihr seht in der Folge also meist kleine Platinen, aber das Prinzip ist dasselbe.

Jedenfalls muss die Platine zum Objektiv passen. Bei Fach­objektiven, die in ein Verschluss-Gehäuse einge­baut sind, steht drauf, worauf zu achten ist: Diese Verschlüsse heißen meist Copal oder Compur, gefolgt von einer Nummer von 0 bis 3 (was einem bestimmten Loch­durch­messer entspricht, siehe hier), und so muss dann auch die Objektiv­platine „heißen“. Man montiert das Objektiv, indem man das rück­wärtige Glied und den Konter­ring abschraubt, das vordere Glied einschließ­lich Verschluss in die Platine einsetzt, mit dem Konter­ring dort fest­schraubt und schließ­lich das Hinter­glied wieder einschraubt. (Die „reine Lehre“ besagt übrigens, für jede Verschluss­größe einen sepa­raten Spezial-Schlüssel zu verwenden und nicht so einen univer­sellen. Das igno­riere ich hier, verpetzt mich nicht ;-))

An so einem Objektiv selbst kann, solange man’s nicht fallen lässt, nicht viel kaputt gehen, aber der Verschluss ist anfällig für Alters­schwäche. Die äußert sich gern darin, dass die Verschluss­zeiten unregel­mäßig ablaufen oder manche Zeit-Bereiche sich gar nicht mehr einstellen lassen. Das ist für unsere Zwecke aber völlig unproble­matisch: Wir öffnen den Verschluss zum Einstellen (dafür hat er einen geson­derten Hebel an der Seite) und lassen ihn durch­gehend offen; für die Verschluss­zeit beim Belichten ist nachher die Digital­kamera zuständig. Haupt­sache, die Blenden­verstellung funk­tioniert – billigste Flohmarkt­funde und vermeint­lich defekte Objek­tive aus uralten Platten­kameras sind in der Kombi­nation mit der Digi­talen oft noch wunderbar zu gebrauchen!

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Einfacher und oft auch preis­günstiger wird es, wenn das Objektiv gar keinen Verschluss hat. Denken wir an Objek­tive aus der Dunkel­kammer – ein 90er oder 105er Vergrößerer-Objektiv gibt für unsere Zwecke eine hervor­ragende Makro-Linse ab. Die kommen meist in 39er Einschraub­fassung, dafür gibt es entspre­chende Gewinde-Ringe, die sich mit Mini-Schrauben (oder geeig­netem Kleber) auf einer Platine mit hinrei­chend großem Loch befes­tigen lassen. Oder ihr findet, wie ich schon mehr­fach, für’n paar Euro im Trödel ein Objektiv aus einer alten Repro­kamera – so ein 150er bis 360er „Ronar“ oder „Gerogon“ ist gar nicht mal selten und macht viel Freude.

Ein noch mal simp­leres Objektiv ist eine Nahlinse, wie man sie früher gern für Makros benutzt hat und heute immer mal in der Grabbel­kiste findet: 1000 geteilt durch die Dioptrie ist die Brenn­weite; und Brenn­weite geteilt durch den Loch­durch­messer der Platine ist die Arbeits­blende. Klebt ihr also mit Knete eine Nahlinse +3 auf eine Platine mit einem 15-mm-Loch, dann habt ihr ein 330-mm-Objektiv mit Blende 22. Das funk­tioniert echt gut. Und die höchste Reduktions­stufe wäre dann die Camera obscura: Einfach eine Alufolie in die Platine kleben, mit der Steck­nadel ein winziges Loch bohren und wundern, was für tolle Weit­winkel-Bilder sich damit machen lassen …

b) Kamera

Okay, dieser Teil wird kürzer … Wir wollen also hinten eine Digital­kamera anschließen. Gute Nach­richt: Es muss keine super­aktuelle Kamera sein, im Gegen­teil haben manche älteren Modelle klare Vorteile. Es bietet sich halt eine Spiegel­lose an, weil die meist leichter sind als SLRs und die geklebte Verbindung (siehe unten) weniger belasten; außerdem sitzt der Sensor ohne Spiegel dichter am Bajo­nett (Stichwort Auflagemaß), wodurch kürzere Brenn­weiten und mehr Verstel­lung ohne Abschat­tung möglich sind.

Hightech brauchen wir nicht, selbst AF und Bild­stabi­lisator im Gehäuse sind hier nutzlos. Und die wich­tigste Tugend der Kamera: Sie sollte möglichst keinen ausgeformten Handgriff haben – umso kürzer ist der erforder­liche Adapter hin zur Fach­kamera und desto besser wiederum die Verstell­barkeit.

Hier ist, nach ersten Experi­menten mit einer Olympus E-M5, die dann aber eine andere Bestim­mung bekam, für diesen Zweck eine Sony a7s erster Gene­ration im Einsatz – Modell­jahr 2014, in Elek­tronik-Maßstäben auch fast schon ein Old­timer – und bewährt sich hervor­ragend. (Die noch­mals älteren Baureihen Olympus PEN oder Sony NEX wären noch kleiner und leichter und hier vermutlich inter­essant; bei anderen Marken habe ich nicht so den Über­blick.) Die Digi­tale wird mit der Fach­kamera wiederum über eine Objektiv­platine verbunden (freund­licher­weise ist der Durch­messer einer Copal-1-Platine ganz ohne Nach­bearbeitung ideal für diesen Zweck geeignet), auf der ich mit Metall­kleber hoher Zug­festig­keit einen hinrei­chend tiefen „Altglas“-Adapter befes­tigt habe. Außenrum kam dann noch zwecks Licht­dichtung eine Schicht Foto­knete. Für diese Sony reicht ein beson­ders kurzer Adapter für z.B. Leica M; Kameras mit tieferem Hand­griff (was z.B. schon auf die zweite Gene­ration a7 zutrifft – sag’ ich doch: Je oller, desto doller …) benö­tigen einen entspre­chend längeren Adapter oder zusätz­lich einen Zwischen­ring.

Weil die verwendete Objektiv­platine sich nur in einer Ausrich­tung montieren lässt, musste ich mich entscheiden, ob ich den Adapter für Hoch- oder Quer-Ausrich­tung ansetze. Ich habe quer genommen, weil der Verstell­weg der Stan­darte vertikal größer ist als hori­zontal. Bei Nutzung des vollen Sensor-Formats und des gesamten Verstell­wegs komme ich damit rechne­risch auf ein Hoch­format von 120+24 = 144 mm Höhe und 50+36 = 86 mm Breite (abzüglich etwas Beschnitt nach der Zusammen­setzung der Bilder am Rechner). In der Höhe nutzt das den Bild­kreis vieler Objektive schon aus bzw. erreicht dessen unscharfe, dunk­lere Rand­bereiche; für mehr Breite könnte man bei Bedarf noch die 50 mm Verstell­weg am Objektiv dazu­nehmen. (In der Praxis nutze ich meist ohnehin nur einen Teil des Formats, gestalte das Bild auf etwa 90 x 60 mm finaler Sensor­fläche und nehme in den Rand­bereichen etwas mehr auf, um bei der Nach­bear­beitung Spielraum zu haben.)

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Und so wie im nächsten Bild sieht dann das Dream­team aus. Im abschlie­ßenden Teil 4 gehen wir damit fotografieren und bearbeiten die Ergebnisse.

Digitales Low-Budget-Großformat

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  1. Wenn man an Kleinbild-600er denkt, klingt das monströs. Aber die Länge wird hier ja nur durch den Balgen hergestellt; die Objektive selbst unterscheiden sich in der Größe oft nicht nennenswert. ↩︎
  2. Das wird irgendwann dadurch begrenzt, dass man mit der Kamera gar nicht mehr dicht genug ans Motiv rankommt, und hat auch sonst ein paar spezielle Probleme. ↩︎

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