Und was kommt vorn und hinten dran?
Digitales Low-Budget-Großformat
- 1: Bevor es losgeht: Wozu überhaupt der Aufwand?
- 2: Eine bastelfreundliche optische Bank
- 3: Und was kommt vorn und hinten dran?
- 4: Die digitale Fachkamera im Einsatz
a) Objektiv
Wenn man Großformat-Fotografie ernst nimmt, kann man bei den Optiken immensen Aufwand treiben – bis dahin, dass manche Brennweiten für Abbildungsmaßstäbe um 1:1 und für den Fernbereich als separate Objektive konstruiert werden. Zum Glück sind wir zum Spaß hier und brauchen im Prinzip nur irgendwas Durchsichtiges … Wobei die Mindestanforderung darin besteht, einen einigermaßen großen Bildkreis auszuleuchten, damit sich die Kamera ein bisschen verstellen lässt und wir Panoramen zusammensetzen können (mehr über Bildkreise findet ihr im Internet reichlich); aber das ist bei allen expliziten Großformat-Objektiven gegeben. Und was ihr sonst noch so benutzen könnt, darüber schreibe ich weiter hinten noch was.
Zuerst allgemein zum Brennweitenbereich: Vielleicht war bei der Kamera, die ihr gefunden habt, schon ein Objektiv dabei. Vielleicht ist es ein 1:5,6/150 mm; das wäre das 4×5-Zoll-Äquivalent zum 1,8/50 damals an der Revueflex – ein gutmütiges Normalobjektiv, das fast jede*r hatte. Diese 150 mm Brennweite entsprechen (sehr grob gesagt) dem Abstand zwischen den beiden Standarten bei Unendlich-Fokus; bei Abbildungsmaßstab 1:1 verdoppelt sich der Auszug auf 300 mm usw. Das Standard-Grundrohr ist bei der Cambo 54 Zentimeter lang, ein Objektiv mit 150 mm Brennweite kommt also bei vollem Auszug recht weit in den Nahbereich. Bis 300 oder 400 mm ist noch anständig viel Fokusbereich gegeben, Objektive ab ca. 600 mm1 brauchen demnach ein längeres Grundrohr, um auch nur auf Unendlich einzustellen. Und je kürzer die Brennweite, desto mehr Makro ist drin, theoretisch.2 Praktisch erweisen sich bei mir etwa 90 mm als sinnvolle Untergrenze, um weit in den Makrobereich vorzudringen.
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Zur Verbindung mit der Fachkamera braucht das Objektiv eine Platine, in die es montiert wird. Die hat hier dasselbe Außenprofil wie alle anderen Anbauteile (Balgen, Mattscheibe), nur die Aussparungen für die Verriegelung sind meist nur auf einer Seite – sie passen also nur in einer Ausrichtung in die Standarte. Solche Platinen gibt es versenkt (das ist wieder ideal für eher kurze Brennweiten, der Blenden-Mechanismus am Objektiv ist hier etwas schwieriger erreichbar) oder plan. Weil das Profil der Cambo-Platinen recht einfach ist, stelle ich mir vor, dass die sich auch sehr gut im 3D-Druck nachbauen lassen.
Bei mir sieht die Standard-Platine an der Cambo etwas eigenwilliger aus: Und zwar habe ich eine plane Platine beim Metallbauer großzügig ausfräsen lassen und dann ein paar Dichtungen und Beschläge montiert, um die sehr viel kleineren Platinen meiner mit Film genutzten Laufbodenkamera adaptieren zu können, was mir viel Arbeit fürs Hin- und Hertauschen erspart. Ihr seht in der Folge also meist kleine Platinen, aber das Prinzip ist dasselbe.
Jedenfalls muss die Platine zum Objektiv passen. Bei Fachobjektiven, die in ein Verschluss-Gehäuse eingebaut sind, steht drauf, worauf zu achten ist: Diese Verschlüsse heißen meist Copal oder Compur, gefolgt von einer Nummer von 0 bis 3 (was einem bestimmten Lochdurchmesser entspricht, siehe hier), und so muss dann auch die Objektivplatine „heißen“. Man montiert das Objektiv, indem man das rückwärtige Glied und den Konterring abschraubt, das vordere Glied einschließlich Verschluss in die Platine einsetzt, mit dem Konterring dort festschraubt und schließlich das Hinterglied wieder einschraubt. (Die „reine Lehre“ besagt übrigens, für jede Verschlussgröße einen separaten Spezial-Schlüssel zu verwenden und nicht so einen universellen. Das ignoriere ich hier, verpetzt mich nicht ;-))
An so einem Objektiv selbst kann, solange man’s nicht fallen lässt, nicht viel kaputt gehen, aber der Verschluss ist anfällig für Altersschwäche. Die äußert sich gern darin, dass die Verschlusszeiten unregelmäßig ablaufen oder manche Zeit-Bereiche sich gar nicht mehr einstellen lassen. Das ist für unsere Zwecke aber völlig unproblematisch: Wir öffnen den Verschluss zum Einstellen (dafür hat er einen gesonderten Hebel an der Seite) und lassen ihn durchgehend offen; für die Verschlusszeit beim Belichten ist nachher die Digitalkamera zuständig. Hauptsache, die Blendenverstellung funktioniert – billigste Flohmarktfunde und vermeintlich defekte Objektive aus uralten Plattenkameras sind in der Kombination mit der Digitalen oft noch wunderbar zu gebrauchen!
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Einfacher und oft auch preisgünstiger wird es, wenn das Objektiv gar keinen Verschluss hat. Denken wir an Objektive aus der Dunkelkammer – ein 90er oder 105er Vergrößerer-Objektiv gibt für unsere Zwecke eine hervorragende Makro-Linse ab. Die kommen meist in 39er Einschraubfassung, dafür gibt es entsprechende Gewinde-Ringe, die sich mit Mini-Schrauben (oder geeignetem Kleber) auf einer Platine mit hinreichend großem Loch befestigen lassen. Oder ihr findet, wie ich schon mehrfach, für’n paar Euro im Trödel ein Objektiv aus einer alten Reprokamera – so ein 150er bis 360er „Ronar“ oder „Gerogon“ ist gar nicht mal selten und macht viel Freude.
Ein noch mal simpleres Objektiv ist eine Nahlinse, wie man sie früher gern für Makros benutzt hat und heute immer mal in der Grabbelkiste findet: 1000 geteilt durch die Dioptrie ist die Brennweite; und Brennweite geteilt durch den Lochdurchmesser der Platine ist die Arbeitsblende. Klebt ihr also mit Knete eine Nahlinse +3 auf eine Platine mit einem 15-mm-Loch, dann habt ihr ein 330-mm-Objektiv mit Blende 22. Das funktioniert echt gut. Und die höchste Reduktionsstufe wäre dann die Camera obscura: Einfach eine Alufolie in die Platine kleben, mit der Stecknadel ein winziges Loch bohren und wundern, was für tolle Weitwinkel-Bilder sich damit machen lassen …
b) Kamera
Okay, dieser Teil wird kürzer … Wir wollen also hinten eine Digitalkamera anschließen. Gute Nachricht: Es muss keine superaktuelle Kamera sein, im Gegenteil haben manche älteren Modelle klare Vorteile. Es bietet sich halt eine Spiegellose an, weil die meist leichter sind als SLRs und die geklebte Verbindung (siehe unten) weniger belasten; außerdem sitzt der Sensor ohne Spiegel dichter am Bajonett (Stichwort Auflagemaß), wodurch kürzere Brennweiten und mehr Verstellung ohne Abschattung möglich sind.
Hightech brauchen wir nicht, selbst AF und Bildstabilisator im Gehäuse sind hier nutzlos. Und die wichtigste Tugend der Kamera: Sie sollte möglichst keinen ausgeformten Handgriff haben – umso kürzer ist der erforderliche Adapter hin zur Fachkamera und desto besser wiederum die Verstellbarkeit.
Hier ist, nach ersten Experimenten mit einer Olympus E-M5, die dann aber eine andere Bestimmung bekam, für diesen Zweck eine Sony a7s erster Generation im Einsatz – Modelljahr 2014, in Elektronik-Maßstäben auch fast schon ein Oldtimer – und bewährt sich hervorragend. (Die nochmals älteren Baureihen Olympus PEN oder Sony NEX wären noch kleiner und leichter und hier vermutlich interessant; bei anderen Marken habe ich nicht so den Überblick.) Die Digitale wird mit der Fachkamera wiederum über eine Objektivplatine verbunden (freundlicherweise ist der Durchmesser einer Copal-1-Platine ganz ohne Nachbearbeitung ideal für diesen Zweck geeignet), auf der ich mit Metallkleber hoher Zugfestigkeit einen hinreichend tiefen „Altglas“-Adapter befestigt habe. Außenrum kam dann noch zwecks Lichtdichtung eine Schicht Fotoknete. Für diese Sony reicht ein besonders kurzer Adapter für z.B. Leica M; Kameras mit tieferem Handgriff (was z.B. schon auf die zweite Generation a7 zutrifft – sag’ ich doch: Je oller, desto doller …) benötigen einen entsprechend längeren Adapter oder zusätzlich einen Zwischenring.
Weil die verwendete Objektivplatine sich nur in einer Ausrichtung montieren lässt, musste ich mich entscheiden, ob ich den Adapter für Hoch- oder Quer-Ausrichtung ansetze. Ich habe quer genommen, weil der Verstellweg der Standarte vertikal größer ist als horizontal. Bei Nutzung des vollen Sensor-Formats und des gesamten Verstellwegs komme ich damit rechnerisch auf ein Hochformat von 120+24 = 144 mm Höhe und 50+36 = 86 mm Breite (abzüglich etwas Beschnitt nach der Zusammensetzung der Bilder am Rechner). In der Höhe nutzt das den Bildkreis vieler Objektive schon aus bzw. erreicht dessen unscharfe, dunklere Randbereiche; für mehr Breite könnte man bei Bedarf noch die 50 mm Verstellweg am Objektiv dazunehmen. (In der Praxis nutze ich meist ohnehin nur einen Teil des Formats, gestalte das Bild auf etwa 90 x 60 mm finaler Sensorfläche und nehme in den Randbereichen etwas mehr auf, um bei der Nachbearbeitung Spielraum zu haben.)
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Und so wie im nächsten Bild sieht dann das Dreamteam aus. Im abschließenden Teil 4 gehen wir damit fotografieren und bearbeiten die Ergebnisse.
Digitales Low-Budget-Großformat
- 1: Bevor es losgeht: Wozu überhaupt der Aufwand?
- 2: Eine bastelfreundliche optische Bank
- 3: Und was kommt vorn und hinten dran?
- 4: Die digitale Fachkamera im Einsatz
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- Wenn man an Kleinbild-600er denkt, klingt das monströs. Aber die Länge wird hier ja nur durch den Balgen hergestellt; die Objektive selbst unterscheiden sich in der Größe oft nicht nennenswert. ↩︎
- Das wird irgendwann dadurch begrenzt, dass man mit der Kamera gar nicht mehr dicht genug ans Motiv rankommt, und hat auch sonst ein paar spezielle Probleme. ↩︎