Früher wars leiser. Aber auch lauter.
Zwei Notizen anlässlich eines Hamburg-Besuchs am vorigen Wochenende:
Irgendwann in den letzten Jahren muss beim Konzertpublikum das Wissen darum, dass bei Orchester- und Kammermusik die Stille zwischen zwei Sätzen Bestandteil der Komposition ist, über alle Altersklassen hinweg abhanden gekommen sein. Stattdessen herrscht inzwischen die Annahme vor, diese Pausen seien dafür gedacht, auf den freien Sitzplatz zwei Reihen weiter vorn zu wechseln und in der nächsten Pause wieder zurück … Das war schon nicht mehr Unruhe am Samstagabend beim Martha-Argerich-Festival, das war in den oberen Rängen regelrechter Lärm. Und nicht nur zwischen den Sätzen, nein: Mitten in einer sehr zarten Passage fand es jemand angebracht, den Klettriemen an ihrer Sandale schwungvoll zu lösen – da verdient die praktisch permanente Husterei von überall her schon kaum mehr Erwähnung. Jedenfalls kamen mir nicht zum ersten Mal in diesem Jahr Teile des Publikums ausgesprochen respektlos vor. Hab ich in diesem Ausmaß von früher nicht in Erinnerung.
So viel zum ersten Teil der Überschrift. Zum zweiten: Wer im späten 20. Jahrhundert nicht schneller als in gemütlichem Fahrradtempo unterwegs sein, dabei aber die gesundheitlichen Vorteile des Radfahrens um jeden Preis vermeiden wollte, der knatterte mit dem Mofa durch die Gegend. Heute knattert nix mehr, heute surrt es – auf E-Tretrollern. Bin wirklich gespannt, wie sich das so entwickelt; meine ersten Eindrücke davon sind jedenfalls, dass die bevorzugt auf Bürgersteigen bewegt und nach der Nutzung bevorzugt auf Radwegen abgestellt werden, was ich beides nicht maximal prima finde.
Na, vielleicht wird das noch besser. Ich könnte das jedenfalls nicht selbst ausprobieren, weil ich seit geraumer Zeit kein Smartphone mehr habe, und ohne App kommt man offensichtlich auf keinen Leih-Scooter rauf und, eine andere E-Modeerscheinung, in keinen Moia-Personenlieferwagen rein.
Zumindest nachgeschaut habe ich aber mal, welche Systemanforderungen für diese Apps gelten, und das gibt ein gemischtes Bild ab. Bei Android geht das ja noch (ab Version 5, erschienen 2014), bei iOS wird typischerweise mindestens System 11 aus 2017 gefordert. Könnte ich also alles nicht mal auf meinem generell noch gut funktionierenden iPad (das schon mit iOS 9 am Support-Ende angekommen war) installieren. – Diese schicke E-Mobilität soll ja angeblich irgendwelche Probleme lösen, aber wenn man dafür ständig neue Mobildingse kaufen muss, kommt mir das nicht sehr lösungsorientiert vor.
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siebbi
Bei Konzerten ist es wohl wie beim Kino: Das Schlimme ist ja, dass die Anderen auch rein dürfen.
derbaum
‚das schlimme ist ja das die anderen auch reindürfen‘ – grossartig… wir gehören einer konzertklientel an bei der wir den altersdurchschnitt gewaltig senken (selbst ich mit meinen fast 60) – da gehört anstand und etikette noch zur routine. zum glück! (das husten ist – je nach jahreszeit – natürlich auch zu vernehmen und es kann auch passieren das das orchster pauserien muss ob eines rettungseinsatzes, aber sie stehts – die anderen…. 😉 )
chw
Also hier gehört die Etikette leider auch bei den Älteren nicht mehr zur Routine. Wenn es nur das Jungvolk wäre, hätte ich vielleicht gar nichts gesagt, weil es mir zu klischeehaft vorgekommen wäre (… blabla die Jugend von heute jammer …), aber die Unfähigkeit, sich mal eine Stunde nur aufs Zuhören zu konzentrieren, ohne Hin- und Hergerenne, Filmen mit dem Handy usw., verbreitet sich generationsübergreifend. (Klischeehaft war an diesem Abend allerdings auch: je „sperriger“ das Stück, desto unruhiger das Publikum. Bei Poulenc war es auf meinem hinteren Platz echt harte Arbeit, sich auf die Musik hinter dem Rascheln zu konzentrieren, bei Brahms und Mendelssohn waren die Leute etwas ruhiger.)