Digital,  Randbemerkungen

On the Road Again

In Wirklichkeit fahre ich ja bloß Rad, weil mir Bahn­fahren zu anstren­gend ist und Auto­fahren erst recht … Na, jeden­falls stand Ende Oktober mal wieder ein akti­vistisches Netz­werk­treffen an, diesmal in Duis­burg, und weil noch nicht mit Minus­graden und Glatteis zu rechnen war, war schnell klar, dass ich das aus eigener Kraft erle­dige. Je Strecke ca. 400 Kilo­meter bedeuten bei mir jeweils eine Zwischen-Über­nachtung – rück­blickend weise, mir dafür ein Hotel zu buchen, statt wie zunächst ange­dacht das Zelt mitzu­nehmen, denn mit Ausnahme der letzten Etappe bin ich an allen Fahr­tagen klatsch­nass geworden und war dankbar für ein trockenes Bett und den Heiz­körper im Bad. War trotzdem insge­samt ziemlich gut, mit einigen Abstrichen – ein paar Notizen von unterwegs:

Eine Kleinstadt an einem Bach mit niedrigen Häusern und einer gedrungenen, trotzdem großen Kirche. Am Himmel fedrige Wolken.

Verden an der Aller: das erste Foto am ersten Tag. Bis dahin, ca. 85 Kilometer ab Hamburg-Harburg, habe ich ziemlich geflucht, denn wie unge­fähr überall zwischen Elbe und Weser (lang­jährige Erfah­rung) sind die Radwege längs der Haupt­straßen in einem erbärm­lichen Zustand. Auf dieser Route kommt noch dazu, dass man stunden­lang gradeaus fährt und nur von diversen unnö­tigen Bettel­ampeln ausge­bremst wird, während der Motor­verkehr munter durch­braust. (Auf Höhe Tister Bauern­moor haben mir die vielen Kraniche die Laune gerettet, aber da wars noch zu dunkel zum Fotografieren.)

Ein gepflasterter Platz vor einem Feld und WindRädern. Auf dem Platz steht ein SteinMonument neben dem Schild "Geographische Mitte Niedersachsen", daneben noch ein Fahrrad.

Umso schöner dann aber ab Verden. Ich hatte die Komoot-Route fürs Rennrad-Profil der Einfach­heit halber unmodi­fiziert über­nommen, so kam ich auf schmalen Sträßgen und Wirtschafts­wegen ohne viel Auto­verkehr bis in die Mitte von Niedersachsen.

Kurz vor bzw. kurz hinter dem Etappen­ziel Osna­brück. – Isch Dabbes hatte ja komplett vergessen, mal das Höhen­profil anzu­gucken, und war irgendwie von Flach­land ausge­gangen. Von wegen … waren zwar nicht soo viele Höhen­meter, aber ab Oster­cappeln kamen noch ca. 4 km Anstieg zusammen, und da war es schon dunkel und es wolken­brach, machte also nicht so richtig Spaß.

Über den Teuto­burger Wald am nächsten Morgen war dann viel ange­nehmer. Feuchter Hoch­nebel bzw. leichter Sprüh­regen, das ist fürs Bergauf­fahren tatsäch­lich sehr brauchbares Klima. Auch hier dann wieder super Routing: Viele Neben­straßen, die ich für mich allein hatte, paar Kilo­meter Dortmund-Ems-Kanal, und dann zur Mittags­pause Münster, das in Sachen menschen­freundlicher Verkehrs­führung unge­fähr 50 Jahre weiter ist als der Großteil der Republik.

TreppenAufgang eines Hochofens von der Plattform zwischen zwei Treppen fotografiert. Die Etage direkt oberhalb ist mit "51,65m" beschriftet. Tief unten sieht man weitläufige RohrLeitungen.

Danach kam auch bald das Ruhrgebiet in Sicht. Auch hier wieder kräftiger Regen zum Etappenfinale, der sich diesmal bis zum nächsten Tag hielt – dadurch seid ihr neulich in den Genuss ziemlich trüber Hochofen-Fotos gekommen, während ich mich ob des stürmischen Wetters nicht höher als auf die 51-m-Plattform getraut habe, Mist …

Dann also erst mal ein bisschen Netz­werken (über das Kern­thema des Wochen­endes beizeiten mal separat was). Und für die Rück­fahrt habe ich, um weniger Haupt- und mehr Neben­straßen dabei zu haben, die Strecken­empfehlung fürs Tourenrad-Profil übernommen. Hundert­prozentig funktio­niert das sowieso nie, irgendwo sind immer Baustellen, die Umlei­tungen erzwingen (die letzte am letzten Abend ab Kilo­meter 209, herrlich!)

Zwar nicht ganz Münster, aber auch sehr freund­lich: die inoffi­ziell beschil­derten Fahrrad­straßen in Borken. (Ansonsten ist ja das Zusatz­schild „Radweg­schäden“ das gefühlt häufigste Verkehrs­zeichen in Nord­deutschland.) Vom Wasser­schloss Velen hatte ich vorher noch nie gehört, der ÖPNV auf dem Dorf hat seine sehr speziellen Reize … und wenn man kilo­meter­weit durch ein Moor­gebiet wie das Campe­moor fährt und dabei überall sieht, wie auch 2023 noch Torf abge­baut wird, da möchte man trotz schöner Land­schaft unter blauem Himmel schon ein bisschen weinen.

Und schließlich noch das Wich­tigste am Radfahren: Es ist ein wunder­barer Vorwand für hemmungs­lose Kalorien­zufuhr 🙂 Bei Etappen­längen wie hier zwischen 160 und 230 km pflege ich zu dritteln und also zwei Mal entweder einzu­kehren oder zumin­dest Brötchen­pause zu machen, und abends gibt es dann noch eine anstän­dige warme Mahlzeit. Vege­tarisch klappt ja mittler­weile überall reibungslos, nur vegan – was mir on tour noch lieber wäre – ist nach wie vor schwierig bis unmög­lich. Deutsch­land ist einfach (noch) nicht Kreuzberg …

PS: Ich verlinke euch mal die Komoot-Planungsrouten, an die ich mich ungefähr gehalten habe. Real kamen da jeweils noch ca. 10% obendrauf, bedingt vor allem durch Baustellen-Umleitungen und Gastronomie-Suchschlenker, aber rein für die Planung sind dies die besseren Grundlagen:

Hamburg-Harburg–Osnabrück

Osnabrück–Duisburg (Rennrad-Track)

Duisburg–Osnabrück (Track mit etwas Schotter-Anteil)

Osnabrück–HH-Finkenwerder

und hier alle vier als GPX-Tracks (gezippt)

3 Comments

  • Alexander Neumann

    Das war wohl ein sehr wechselhaftes Erlebnis. Dies dokumentieren ja auch die Bilder: von strahlend blauem Himmel bis kurz vorm Weltuntergang. Der Weg von Hamburg bis ins Ruhrgebiet ist nicht durchgehend flach, weil da irgendwer die Falten im Wiehengebirge und Teutoburger Wald nicht glattgebügelt hat. Kurz vor dem Pott „erheben sich“ vom Norden kommend noch die Baumberge, die aber umfahren werden können. Schön, dass es Dir trotzdem gefallen hat.

    • Christian Wöhrl

      Moin Alex, na, übers Bergeumfahren reden wir vielleicht in zwanzig Jahren noch mal – die allermeiste Zeit sind Steigungen für mich das Schönste am Radfahren, auch wenn ich nicht mehr ganz so geschmeidig auf Serpentinen unterwegs bin wie in den 1990ern. Aber für deinen Youtube-Kanal brauche ich dann auch mal einen Abend oder zwei – auch wenn man sich dann hinterher wahrscheinlich ganz klein vorkommt 🙂

  • Birte

    Mir tun ja schon sämtliche Gräten weh, wenn ich das nur lese 🙂 Die Strecke kommt mir zumindest bis ins Münsterland bekannt vor. Das war ja ein paar Monate quasi meine Pendelstrecke zwischen Zuhause und meinem Job. Immerhin habe ich den Weg einmal per Roller absolviert (noch ein kleiner 50er), weil ich den von HH nach Münster überführt habe.

Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert