Randbemerkungen

Waffen

(Während ich eine noch unge­tippte Rohfassung dieses Artikels bebrütete, der sich mit einigen Reaktionen auf das Hanauer Verbrechen beschäftigt, erfuhr ich von Volkmarsen. Ich lasse das jetzt mal außen vor, solange noch nicht offiziell bestätigt ist, dass der Autofahrer mit Vorsatz gehandelt hat; deshalb heißt dieser Artikel, entgegen einem ersten Impuls, auch nicht Von Autos und anderen Waffen.)

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Natürlich jammern die üblichen Verdäch­tigen jetzt wieder rum, das deutsche Waffen­recht dürfe auf gar keinen Fall noch schärfer werden. Immerhin sei es bereits jetzt eines der strengsten weltweit, wie es auch eingangs des sehr informativen Wikipedia-Eintrags zum Thema heißt. Aber wie kann es dann bitte passieren, dass Leute, die einen behörd­lich dokumen­tierten Sprung in der Schüssel haben, freien Zugriff auf Schusswaffen bekommen? In Deutschland herrschen doch sonst kaum Skrupel, büro­kratische Gängelung bis an die Erträglich­keits­grenze zu dehnen; aber wenn mal jemand die hervor­ragende Idee äußert, solch klassischen Terror­bedarf wie groß­kalibrige Waffen und die zugehörige Munition zentral zu lagern, statt die Einlagerung daheim jedem Psycho mit Waffen­besitz­karte zuzu­gestehen, ist das plötzlich viel zu aufwendig.

Dabei ist es für mein Empfinden ohnehin schon mehr als großzügig geregelt, was sich so alles als Sport­waffe bezeichnen lassen darf. Wenn man partout zum Spaß mit was anderem als etwa einem Langbogen schießen möchte, täte es auch eine Luft­druckwaffe, aber statt­dessen wird im sogenannten Schieß­sport sogar mit Feuer­waffen geschossen, die sich auch prima für die Groß­wild­jagd eignen. Nun würde ich nicht pauschal behaupten, dass jeder, der Groß­kaliber­schießen für Sport hält, direkt ein Fall für die Einweisung sei – aber einen gewissen Mangel an geistiger Reife darf man wohl getrost unter­stellen (Pubertät ist, nebst einher­gehender Fetischi­sierung fetter Wummen, erschreckend oft keine Frage des Alters).

Aber gut, lassen wir die großen Kindsköppe halt rumballern (solange sie niemandem wehtun). Doch was spräche ernst­haft dagegen, alle Schuss­waffen, die in Deutschland für Sport­zwecke registriert sind, ausschließlich in den jeweiligen Schützen­vereinen zu lagern und nur unter kontrol­lierten Bedin­gungen heraus­zugeben? Oder wenigstens die Munition? Im oben verlinkten Artikel wird aus einer Bundestags-Anhörung 2012 wie folgt zitiert: Alle Experten waren sich einig, dass eine Zentrallagerung die öffentliche Sicherheit stärker bedrohe als die Lagerung zu Hause. Die Annahme, dass weniger Waffen zu mehr öffentlicher Sicherheit führe, sei nicht begründet. (Das zugehörige Proto­koll ließ sich im Volltext nicht abrufen.) Mit Verlaub: Das klingt für mich so unmittelbar plausibel, als seien diese Experten bei der National Rifle Association angefragt worden …

So wäre, kurz gesagt, eine Verschärfung der einschlägigen Gesetze in meinen Augen eine höchst sinnvolle Sache. Allemal sinnvoller jeden­falls, als jetzt wieder die Bewachung von Moscheen und Synagogen zu verstärken oder, doch noch mal der Schwenk nach Nordhessen, alle Karnevals­umzüge bundes­landweit abzusagen. Klar, als Impuls nachvoll­ziehbar ist das alles unbedingt. Aber es ist eben genau das: impulsiv. Aktionismus. Blind und wenig Erfolg versprechend. Wer Terror ausüben möchte, findet einen Weg. Und indem durch solche Placebo-Maßnahmen ein diffuses Bedrohungs­empfinden verstärkt wird, spielt man genau denen in die Hände, die am lautesten von Recht und Ordnung schwadro­nieren – und damit doch nur die Rechte der ganz Rechten meinen.

5 Comments

  • Rainer Hartwich

    ‚Die Verschärfung der Gesetze‘ war auch mein erster Reflex nach ‚Hanau‘, allerdings nach längerem Nachdenken:

    In der Schweiz etwa hat ein Großteil derer, die einen Wehrdienst abgeleistet haben, seine/ihre Waffe/Waffen zu Hause „unter dem Bett“ und m.W. hat es in den letzten Jahren / Jahrzehnten damit kaum „Zwischenfälle“ gegeben. Der Zugang zu Waffen allein kann es also nicht sein.

    Die nächste Frage wäre dann: Wohin mit den Messern und Autos, die man dann als potentielle Waffen genauso einziehen müsste?

    Die nächste Frage: Wieso waren bisher fast ausschließlich Männer die Täter? Ich kann mich zumindest nicht erinnern, dass in den letzten Jahrzehnten eine Frau Amok gelaufen wäre.

    Ich denke, die jeweiligen Waffen sind nur ein „Rand“-Aspekt, die größere Rolle spielt das destruktive gesamtgesellschaftliche Klima.

    • chw

      Nein, es ist sicher nicht der Zugang zu Waffen allein; und sicher ist auch der verschiedentlich vorgebrachte Einwand stichhaltig, dass illegale Waffen noch das insgesamt größere Problem sind als legale. Dennoch waren ja bei mehreren Amoktaten der letzten Jahre legal zu Hause gelagerte Waffen involviert.

      Der m.E. entscheidende Unterschied zwischen Feuerwaffen und Messern/Autos liegt darin, dass erstere zu ausschließlich destruktiven Zwecken dienen. Etwas anderes als Leben beenden (oder es an Zielscheiben simulieren) kann man damit kaum machen. Und wenn der Zugriff auf solche Werkzeuge so berechtigten Kreisen wie Polizei und Jagdwesen vorbehalten bliebe, könnte ich keinen Verlust erkennen.

      Zum Geschlechterspezifischen dabei kann ich nichts Sachdienliches beitragen … und ja, das Klima wird spürbar destruktiver, was aber nicht automatisch dagegen spricht, sich auch mit Randaspekten zu beschäftigen.

      • siebbi

        So ist es: Waffen sollen töten oder verletzen. Nichts anderes. Autos sind keine Waffen auch wenn sie als solche missbraucht werden können. Ich kann auch jemanden mit einem Kabel erwürgen, mit dem Brotmesser erstechen oder einem Stück Seife in einer Socke totprügeln. Man könnte allerdings auch mit einer Walther P38 Pistole einen Nagel in die Wand kloppen. Das Problem ist und bleibt der Mensch.

  • Aebby

    Ich grüble seit Tagen an den Themen rum und bin bis auf einen Aspekt noch nicht schreib- und kommentarfähig.

    Wenn über Waffen und Sportschützen diskutiert wird fällt mir immer nachstehend verlinktes youtube-Video ein. Ein Waffen-Fan erklärt der Welt wie man in Deutschland an Waffen kommen kann. Wenn man dann noch die Kommentare zu dem Video liest wird klar, dass es mit dem ach so restriktiven Waffengesetz in Deutschland nicht weit her ist.

    https://www.youtube.com/watch?v=q0-J2pYLCvI&t=119s

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