Straßenrandnotizen – Fast eine Radreise
Gegen eine mehrwöchige Tour sprach der berufliche Kalender, gegen täglich wechselnde Zeltplätze die Corona-Prävention. Aber immerhin: Innerhalb einer Woche fünfeinhalb Tage auf dem Rad zu sitzen, zweieinhalb davon mit Gepäck, und nicht unter 1000 Höhenmeter pro Tag zu absolvieren war mal wieder ein gutes Gefühl.
Einige Notizen vom Straßenrand:
Der eigentliche Kurzurlaub sollte im Rhein-Main-Gebiet stattfinden, wo mein Sohn und ich bei meinen Eltern unser Basislager für Rennradtouren aufschlagen wollten. Der ursprüngliche Plan war es gewesen, dort mit der Bahn hinzufahren; aber zwei Monate Vorlauf hatten mal wieder nicht gereicht, um innerhalb eines Zeitfensters von 72 Stunden zwei freie Fahrradstellplätze im Fernverkehr zu finden. Daher überbrückten wir einen Teil der Strecke mit dem Auto, das dann in Göttingen stehen blieb, von wo aus wir in zwei Tagen à 135 und 155km Radstrecke den Kreis Offenbach erreichten.
Echte Routenplanung brauchten wir an beiden Tagen nicht. Von der Göttinger JH aus fuhren wir topografisch chronisch unterversorgten Nordlichter erst mal links rauf in den Stadtwald, dann via Friedland zum Schloss Berlepsch und nach Sonnenstand lustige Schlängelstrecken durch den Kaufunger Wald. Für später am Tag hatten wir uns Hessisch Lichtenau und Rotenburg/Fulda als Wegpunkte gemerkt, und die fand man auch jeweils auf den weiß-grünen Radwegschildern. Von Rotenburg war dann das Etappenziel Bad Hersfeld ein Selbstgänger, quasi immer am Bach entlang und angenehm kraftverkehrsarm geführt.
Der zweite Tag – beide Jugendherbergen übrigens sehr! empfehlenswert – war im Grunde noch einfacher: Bis Schlitz (das ich von früher als hübsch und in ebensolche Landschaft eingebettet in Erinnerung hatte) tadelloser Flussradweg, dann nach Westen, weils da schön steil aussah. In Lauterbach fanden wir eine Hinweistafel auf den uns vorher nicht bekannten Vulkanradweg, womit wir uns bis in die Wetterau überhaupt nicht mehr um Hinweisschilder kümmern mussten – und in der zweiten Tageshälfte kam uns die relativ steigungsarme Routenführung angesichts des durchwachsenen Wetters inkl. halbstündigem Wolkenbruch gar nicht mal ungelegen. Na, und spätestens ab Hanau finde ich den Weg zu meinem Elternhaus sowieso im Schlaf.
Nach einem Pausentag dann die umliegenden Mittelgebirge ohne Gepäck. Im Odenwald waren wir noch zusammen unterwegs, der übermotivierte Junior allerdings mit 15 steilen Extra-Kilometern, während ich bei lockerer Gangart Landschaft guckte. Für die zwei Spessart-Tage trennten sich unsere Wege, denn mir stand der Sinn mehr nach Schotter und Fahren nach analoger Wanderkarte, während mein Sohn mit seiner reinen Rennmaschine lieber Straßenkilometer „schrubben“ wollte. So vereinbarten wir Treffpunkte und fuhren übern Tag jeweils ähnlich viele Höhenmeter, der Nachwuchs allerdings bei jeweils gut 100 km und ich bei nur 60 bis 70.
Für den Rückweg bis Göttingen nahmen wir zunächst die Regionalbahn bis Kassel. Dabei lernte ich mit langwierigem trial and error, dass man auf bahn.de zwar Fahrkarten, nicht aber Fahrradkarten für den Nahverkehr bestellen kann; dafür bedarf es eines separaten Kundenkontos bei db Regio. – 12 Uhr dann in Kassel aufs Rad; rückblickend muss ich wohl konstatieren, dass unser Entschluss, bei deutlich über 30 Grad erst mal noch übern Herkules zu schlenkern, nicht die cleverste Idee war, denn der restliche Tag wurde noch kraftraubend genug. Und mühsam in der Navigation obendrein, denn auch anderthalb Stunden nach Verlassen des Stadtgebiets waren an jeder Kreuzung zwar Kasseler Ortsteile in zwei bis drei Himmelsrichtungen ausgeschildert, nicht jedoch irgendein Fernziel, und nur in den seltensten Fällen war der weitere Straßenverlauf erkennbar.
Ausgerechnet in dieser Situation versagte denn auch die Google-Maps-App auf Juniors Handy kläglich, war auf freiem Feld und in Sichtweite eines Funkmasts mehrfach nicht in der Lage, einen Standort zu ermitteln, und wollte uns ansonsten weitab jeglicher Wege durch die Botanik schicken. Erst an der Fulda war die Sache dann wieder eindeutig: Flussradweg bis Hann.-Münden, von dort beschilderte Radroute über die letzten paar Hügel nach Göttingen. Hier hätte ich mir mal wieder ein Knotenpunkt-System wie im Ruhrgebiet gewünscht – denn eigentlich sind die Wegenetze zum zügigen Radeln ja deutschlandweit eng genug geknüpft, nur an der Aussagekraft der Wegweisung hapert es immer mal wieder.
Kaum minder anstrengend als der heiße Ritt durchs nordhessische Bergland war schließlich die motorisierte Rückfahrt von Göttingen: Sechseinhalb Stunden für 290km dank nahezu kontinuierlichen Staus – das wäre sogar mit der Regionalbahn und dreimaligem Umsteigen deutlich schneller gewesen. Es bleibt halt doch dabei: Am besten fängt die Radtour direkt an der eigenen Haustür an, alles andere ist nur eine Notlösung.
(Und nebenan im Flauschblog kommen in den nächsten Tagen noch ein paar dekorative Landschaftsbilder der Tour.)
3 Comments
Detlef
Moin, das steigert nochmal meine Vorfreude auf die Tour ab Ende der Woche! Von der Haustür ins Elsass, dabei ebenfalls durch Kassel :-), und zurück.
Und: Nein! Auf dem Bild oben ist kein Weg! Ich nenne so was Fahrradfalle 🙂
Detlef
cwoehrl
Oh, um die Aussicht auf die kulinarischen und topografischen Genüsse im Elsass beneide ich dich nicht zu knapp … Viel Spaß – und viel Glück bei der Durchquerung von Kassel 😉
Ein bisschen was für die Vorfreude auf die Vogesen hätte ich ja auch noch im Angebot – https://wort-und-satz.de/bergauf/vosges.htm –, aber da greift vermutlich wieder die Diskrepanz unserer Definition von Weg …
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