Vermischtes 27. November
Vernebelt: Beim Blick durchs Badezimmerfenster, lange vor Sonnenaufgang, dicke Suppe. Deshalb nur schnell ein Müsli und dann raus, aufs Rad und aufs Feld – heute musste das Büro mal eine Stunde auf mich warten.
Es war absurd kalt (aber gut, ich hatte auch die Handschuhe vergessen), aber wunderschön anzuschauen. – Nebel wäre allerdings noch ein bisschen schöner, wenn man ihn außerhalb bewohnten Geländes erlebte. Denn wir wohnen nicht nur am Rand der Großstadt, in Steinwurfweite der Autobahn; sondern vor allem wird um diese Jahreszeit geheizt, und mancher Zeitgenosse scheint alles zu verheizen, was die Restmülltonne hergibt – man traut sich kaum zu atmen, so schwer hängt der Gestank in der feuchtkalten Luft … Zum Glück riecht man das den Bildern nicht an. – Wen es interessiert: alle Fotos mit der Nikon D700 und 35er Zeiss Distagon (ja, auch die mit dem merkwürdigen Farbverlauf Blau-Lila. Muss ich mir Sorgen machen um eins meiner optisch besten Objektive, oder ist das nur ein optischer Effekt des Nebels je nach Lichtrichtung?), Bearbeitung in Lightroom.
Verpeilt: In den letzten Tagen hat es mich ein paar Mal gejuckt, was über völlig deplatzierte, schlimmer-als-geschmacklose Analogien auf Verquerdenker-Demos zu schreiben. Ist aber nicht nötig, denn Sarah Bosetti bringt die Sache wunderbar auf den Punkt (youtube-Link).
Verschlüsselt: Manchmal im Geschäftsleben reicht es nicht, einen Personalausweis zu besitzen, sondern er muss auch gültig sein. Und meiner war schon vor anderthalb Jahren abgelaufen … Jetzt habe ich also einen mit diesem dämlichen RFID-Chip (aber immerhin noch ohne Fingerabdruck; wer auch noch länger einen Perso ohne erkennungsdienstliche Behandlung haben möchte, sollte vor August 2021 einen beantragen oder wider alle Erfahrung drauf hoffen, dass die entsprechenden Proteste bürgerrechtlerseits noch erfolgreich sind). Und da ich durch günstige Fügung neuerdings auch Besitzer eines moderneren Telefons mit NFC bin, kann ich diese Biometrie-Funktionalität auch selbst nutzen – also bei den zweieinhalb Diensten bundesweit, die sich seit 2010 darauf eingestellt haben … Unter anderem kann man seinen GPG-Schlüssel damit vom BSI signieren, also beglaubigen lassen. Wollte ich eigentlich mit meinem bekannten Key machen, was aber nicht geklappt hat, weil der multilingual zu Christian Woehrl mit oe gehört, aber im Perso mein Name mit ö gespeichert ist, und so weit ist künstliche Intelligenz noch nicht 😉 Deshalb gibt es jetzt auch einen Public Key für chw@silberpixel.net auf den bekannten Servern (oder auf Anfrage von mir selbst).
Vermurkst I: Ich hab ja keine Ahnung, für welche Zwecke heutzutage Adobe Indesign weiterentwickelt wird – klassischer Buchsatz, wie es mein Kerngeschäft ist, kann es jedenfalls nicht mehr sein. Denn das hat vor fünf bis zehn Jahren mit den damals aktuellen Versionen noch sehr viel besser funktioniert. Damals hatte ich CS 6 auf einem Core2 Duo und konnte 850 Seiten locker runtersetzen. Wenn ich was so zu editieren hatte, dass der Umbruch auf den Folgeseiten beeinträchtigt wurde, musste ich beim Scrollen bis drei zählen, manchmal auch bis fünf, und dann stimmte die Monitordarstellung wieder. – Heute laufen die Cloud-Versionen 2020 und -21 auf einem Sechskerner mit doppelt so viel Taktfrequenz und RAM wie damals, und Indesign geht bei 500 Seiten schon in die Knie: Damit die Cursorposition und die Miniaturdarstellung in der Seitenpalette nach Neuumbruch über den Seitenwechsel hinaus noch stimmen, muss zwingend das Programm beendet und wieder neu gestartet werden. Also im täglichen Leben spätestens alle Viertelstunde, manchmal eher alle zwei, drei Minuten. Solange ich das nicht tue, kann ich nicht verbindlich im Text editieren, weil die Cursorposition am Bildschirm um eine oder mehrere Zeilen gegenüber dem tatsächlichen Text verschoben ist. Und dafür zahle ich heute effektiv drei Mal so viel wie damals – hach, es geht doch nichts über ein de-facto-Monopol …
Vermurkst II: Nun gibt es ja durchaus Versuche, das Adobe-Monopol zu knacken. Die Affinity-Suite ist da im Prinzip auf einem guten Weg – auf der neuen großen Maschine habe ich z.B. schon gar kein Photoshop mehr, sondern nur noch das Affinity-Äquivalent (und ein, zwei Hilfsprogramme, siehe unten). Im Pixelgrafik-Bereich nun ist das für die meisten Ansprüche unterhalb von High-End relativ einfach, weil es hier offene und dennoch kompatible Dateiformate gibt. Im Layoutsektor kann davon hingegen noch keine Rede sein: Sobald ich im Team oder bspw. als externer Dienstleister für eine Agentur Satz und Reinzeichnung mache, muss ich zwingend mit Indesign arbeiten. Und man würde ja erwarten, dass die Leute bei Affinity diese Zwänge auf dem Schirm haben und bei ihrer Produktentwicklung berücksichtigen – dem ist aber leider nicht so: Seit Jahren schon werden dort zum Beispiel alle Feature Requests (auch von mir) zur Implementierung des BMP-Formats im Photo-Programmteil ignoriert, weil man ja schon das PNG-Format unterstützt und die zusätzliche Notwendigkeit von Bitmaps partout nicht begreifen will. Was z.B. meine Use Cases betrifft, geht die Argumentation so, dass alles, wofür Indesign ein BMP erwartet (etwa einem Strich- oder Halbtonlogo innerhalb des Layouts eine Spotfarbe zuzuweisen), in Affinity Publisher auch mit PNG geht. Schönen Dank, hilft mir aber nicht weiter, und Arroganz ist auch nicht der Königsweg zur Kundenbindung. Also mache ich meine Grafiken in Affinity und brauche dann zusätzlich noch ein Tool wie XN Convert, um sie in Bitmaps umzuwandeln. Ich glaube, mittlerweile ist seitens Affinity mehr Manpower ins Abbügeln dieser Feature Requests geflossen, als es bedurft hätte, das üppige Export-Menü um einen BMP-Eintrag zu erweitern …
14 Comments
rappel
Tolle Stimmungen und sehr schöne Bilder sind das.
Detlef Steuer
Danke, dass Du Dir die Finger abgefroren hast :-), die Bilder haben meine Laune erheblich gehoben!
cwoehrl
Immer wieder gern 🙂 Irgendwo hab ich aber auch Handschuhe, die ein bisschen warm, aber dünn genug sind, um die Kamera damit zu bedienen. Ist dann auszuprobieren, ob die Bilder ohne ein bisschen Leiden dabei trotzdem noch gut werden …
derbaum
genau, danke für die bilder – das fehlt mir so einfach vor die türe gehen und ein feld haben. (aber meine umgebung gebe ich dafür nicht her. 😉 )
off-topic – was ist das für eine schrift? die mag ich sehr. die hätte ich auch gern im blog!
cwoehrl
Wie schön, dass es dir auffällt! Die gesamte Website-Typografie stützt sich auf die Cormorant-Familie, siehe
https://www.behance.net/gallery/28579883/Cormorant-an-open-source-display-font-family
Und zwar kommt das Menü aus der SC (Small Caps, Kapitälchen), die Überschriften sind Cormorant Upright (quasi kursive Linienführung in aufrecht stehenden Lettern, was ich enorm schön finde) und die Brotschrift ist die Infant, die zwar die langweiligeren Ziffern hat (einheitlich hoch statt Mediävale mit wechselnden Ober-/Unterlängen), die ich aber bei kleinen Schriftgrößen insgesamt klarer, also lesbarer finde.
Falls du Google-Fonts einbetten kannst: https://fonts.google.com/?query=Cormorant
Schau dir vor allem auch mal die Cormorant Unicase an – die könnte sich für deine Kirchensafari-Seiten als Auszeichnungsschrift eignen.
derbaum
ich danke dir – jetzt habe ich wieder arbeit – vor allem im kopf um das evtl. umzusetzen…
derbaum
ich danke dir – habs hingebracht – das gefällt mir gut! werde ich beibehalten! (darf nur nicht zuu viel werden dann sieht man sich es über glaube ich!
cwoehrl
Ja, sehr gut – aber du hast Recht, vor allem die Unicase mit ihrem Fast-schon-Unziale-Charakter möchte nur sparsam angewendet werden. Aber sie hat schon was Sakrales …
Und für andere Kommentarleser erlaube ich mir mal zu verlinken, worüber wir eigentlich reden 🙂
Bernhard
Lieber Christian,
ja, viele Programme die früher für eine Sache richtig gut waren, weil sie eben für diese gemacht wurden, sind inzwischen so mit (unnützen) Funktionen überfrachtet, dass das frühere Kerngeschäft damit nicht mehr machbar ist. Was Dein Bericht ja wieder bestätigt 🙁
Die Programmentwickle sollten sich mal an der folgende Regel erinnern: So einfach wie möglich, so viel wie unbedingt nötig. Auf Englisch: Keep it simple 🙂
Der Colorshift kann aber auch daher herrühren, dass der Weißablgleich bei Nebelwetter nicht so richtig funkioniert oder das diffuse Licht zu schräg auf den Sensor fällt. Dass erlebe ich immer wieder bei einigen Sony-Sensoren.
LG Bernhard
cwoehrl
Moin Bernhard,
ich kann mir vorstellen, dass du mit dem Stichwort diffuses Licht in schrägem Einfallswinkel ziemlich richtig liegst. Genau solche Farbverschiebungen hatte ich nämlich vor vielen Jahren an einer frühen Sony NEX mit kurzbrennweitigen Altgläsern regelmäßig, wie mir jetzt wieder einfällt. Hier kann das Licht zwar, wegen des bizarr großen Auflagemaßes der Nikon, nicht allzu flachwinklig am Sensor ankommen, aber vielleicht verschiebt sich der Effekt ja bloß nach vorn ins optische System …?
Zur allgemeinen Überfrachtung würde ich gern noch mal eine konsequente Gegenbewegung erleben. Die Olympus E-M5 kennst du ja z.B. auch. Die hat ein halbes Dutzend konfigurierbare Tasten und weit über hundert Menüeinträge, von denen ich einige überhaupt nicht begreife, aber gegenüber der viel einfacher strukturierten Nikon fehlen mir trotzdem mindestens drei Grundfunktionen. (Brennweite und Lichtstärke einer adaptierten Optik in die EXIF-Daten schreiben – Bildstabilisator ein/aus auf Taste legen – Auswahl von Bildern löschen statt nur eins oder alle)
Ines
Über den WordPress-Reader hat das mit den Kommentaren schreiben irgendwie nicht geklappt. Deswegen versuche ich es noch einmal auf diesen Wege:
Das sind ja wunderschöne Herbstbilder!
cwoehrl
Frag mich nicht, wann und warum im Reader die Kommentarfunktion angezeigt wird, dann aber nicht funktioniert; die Integration zwischen wp.org und .com ist eins der großen Mysterien der Neuzeit 😉 Jedenfalls sollte nur dein erster Kommentar unter dieser Mailadresse in der Moderation landen, alle weiteren müssten direkt freigeschaltet sein.
Aebby
Du machst mir gerade wieder Lust aufs Fotografieren – danke dafür.
Zu den anderen Themen lasse ich jetzt nur einen zustimmenden Seufzer da.
kopfundgestalt
Spannend diese Themenmelange.
Sonst lese ich nicht so lange, aber hier wars interessant.
Foto 2 gefällt mir am besten. Es schreit einen an, die anderen drängen sich nicht so vor, aber sie sind alle gut.
Zu den Analogien auf den Demos ist schon viel geschrieben worden, im Grunde zuviel.
Ich war ja mal Programmierer, nutzte also Anwendungen und kann daher in etwa nachvollziehen, mit was Du umgehen musst.
Liebe Grüsse
Gerhard