Läuft
Sachen zu reparieren macht schon so ein bisschen glücklich …
Die in unserem Haushalt für den Espresso zuständige italienische Diva ist irgendwas zwischen 15 und 20 Jahre alt. In ihren ersten Jahren hab ich sie für den regelmäßigen Service immer in die große Stadt geschleppt und absurde Beträge für halbgute Leistungen berappt (Sie baut nicht mehr so viel Druck auf wie am Anfang? Tja, kammanix machn). Und als ich auf der Suche nach einem anderen Dienstleister mal an einen geraten bin, der mich wochenlang vertröstet hat, um letztlich überhaupt nichts zu machen, habe ich beschlossen, die Wartungsarbeiten fürderhin selbst zu übernehmen.
Das beschränkte sich bislang aufs Zerlegen und Reinigen des Kessels, Durchpusten der Ventile und regelmäßigen Tausch der Brühkopfdichtung. Um den Jahreswechsel begann sie allerdings auch das Kaffeewasser auf Dampftemperatur zu erhitzen, was natürlich dem Aroma nicht zuträglich ist. Also haben wir, erstmals war der Filius mit dabei, uns die Sache etwas genauer angeschaut und beschlossen, die Thermostate zu tauschen. Bei der Gelegenheit gleich noch einige andere Dichtungen mitbestellt, außerdem neuen Silikonschlauch und diversen Verschleißkram – und heute haben wir alles montiert, und was soll ich sagen? Läuft. Sie baut sogar wieder gefühlt so viel Druck auf wie am Anfang, zumindest deutlich mehr als noch im Dezember. Kammawohldochwas machn.
Natürlich haben die Ersatzteile ungefähr genausoviel gekostet, wie man für eine komplette neue Plastik-Kapsel-Espressomaschine bezahlt. Aber die würde man halt nicht jahrzehntelang wieder und wieder zerlegen, reinigen und wieder zusammensetzen können, sondern über die bisherige Nutzungsdauer der Diva hätte ich da vermutlich schon drei oder vier komplette Geräte entsorgen dürfen.
Höchste Zeit, dass sich Reparierbarkeit bzw. die Abwesenheit derselben in den realen Preisen abbilden …
6 Comments
derbaum
(langsam kommt die ddr-mentalität überall an?) – reparieren ist immer gut, leider gibt es konstrukteure die alles dafür tun dies zu vereiteln ;). ich hab in meinen langen berufsjahren soviele absurde konstruktionen gesehen – ich könnte einen motor bauen den nie jemand zerstörungsfrei wieder auseinander bekommt…
Bernhard
Lieber Christian,
das wäre doch mal eine nachhaltige EU Regel. Jedes Gerät, das in Umlauf gebracht wird, muss reparierbar sein und repariefreundlich aufgebaut sein. Ersatzteile sind 30 Jahre nach Produktionsende noch verfügbar zu sein.
Dann hätten wir neben bei wieder ganz viele kleine Reperaturwerkstätten.
LG Bernhard
Aebby
Hallo Christian,
alleine das Bild mit Patina und Flair macht Lust auf Kaffee und erfeut das Herz, dass die Diva wieder läuft. Das passt auch zu der Fußabdruck Pyramide zum Jahreswechsel.
Hallo „DerBaum“ (sorry ich habe Deinen Namen gerade nicht parat)
ich bin mir nicht sicher ob das DDR-Mentalität ist, ich bin im Westen aufgewachsen, bei uns in der Familie wurde immer repariert bis es wirklich nicht mehr ging. Über die Jahre hinweg wurde das durch den Wandel der Produkte aber immer schwieriger. Vielleicht hat sich die Kultur in der DDR einfach nur länger gehalten als in der BRD.
@all … wieder mehr zu reparieren ist sicher ein Baustein für eine ressourcen-schonendere Zukuft
LG Aebby
derbaum
@aebby – es blieb uns nichts anderes übrig. neu war oft schwierig. und die dinge waren so konstruiert das sie reparabel waren – im gegensatz zum heutigen wegwerfkram mit eingebauten fehlerquellen… (ich weiss wovon ich rede…) der wandel hat bei euch bestimmt schon viele jahre eher begonnen…
cwoehrl
Bei mir war es vermutlich ähnlich wie bei Aebby, dass ich nämlich in einem sehr reparaturbewussten BRD-Haushalt aufgewachsen bin (was sicherlich auch dadurch geprägt war, unter welchen Bedingungen unsere jeweiligen Eltern die Kriegs-/Nachkriegszeit erlebt haben). Aber das aus heutiger Perspektive so bekloppte Modell der geplanten Obsoleszenz dürfte tatsächlich eine Errungenschaft des wirtschaftlichen Westens sein.
Das ist jedenfalls mal wieder eins dieser Themengebiete, auf denen wir uns lieber nicht auf das Wirken des Marktes verlassen. Hier wünsche ich mir wirklich sehr viel striktere gesetzliche Vorgaben im Sinne dessen, was Bernhard angesprochen hat.
Interessant in dem Kontext auch, wer’s noch nicht kennt: https://repair.eu/de/news/
cwoehrl
Und hier ist noch ein ganz aktueller Text zum Thema Right to Repair (oder R2R):
https://pluralistic.net/2021/02/02/euthanize-rentiers/