Durchschnittliches Panorama
Heute wird’s mal wieder ein bisschen technischer. Von dem Prinzip, mittels Durchschnittsbildung mehrerer Einzelaufnahmen auch bei kurzen Belichtungszeiten zu fließend-weichen Wasserfotos zu kommen, hatte ich euch im Oktober schon berichtet; am vorigen Sonntag nun habe ich einmal ausprobiert, wie sich das mit dem Zusammenfügen mehrerer überlappender Bildausschnitte zu einem Panorama kombinieren lässt.
Für das Foto oben habe ich die kleine Spiegellose an die Großformatkamera adaptiert (siehe hier) und durch ein 210mm-Objektiv bei ca. Blende 11 und leichter Verschwenkung zur Manipulation der Schärfeebene fotografiert: und zwar vertikal vier und horizontal fünf bzw. sechs, insgesamt 22 verschiedene Ausschnitte durch Verschieben des Rückteils. Und jeden davon bei normaler Belichtungszeit ohne Graufilter genau 10x, macht 220 Basisaufnahmen.
Meine normale Vorgehensweise ist, diese zuerst sämtlich als DNGs in Lightroom zu laden und in der Weißbalance und Belichtung anzupassen (denn bei wechselhaftem Licht wie am Sonntag verwende ich Zeitautomatik statt des für Panoramen meist sinnvollsten manuellen Modus). Daraus werden dann JPGs oder TIFFs mit voller Auflösung und allen Metadaten exportiert (wobei die EXIFs bei Objektiven ohne Chip ohnehin nur begrenzt nützlich sind), um sie in Affinity Photo zu einem Panorama zu verbinden.
Aber in welcher Reihenfolge? Dazu ein paar Versuche:
Zuerst habe ich den Rechner ein bisschen gefoltert, indem ich alle 220 auf einmal ins Panoramamodul geladen habe. Dabei ergab sich (nach mehreren Minuten Berechnungszeit) die folgende Projektion, hier noch während des Renderns und mit entsprechend sichtbaren Überlappungskanten aufgenommen:
Nun ja: Es ist fraglos beeindruckend, auf wie viele verschiedene Weisen sich das Programm die einzelnen Fotos zurechtbiegen kann, damit alles bestmöglich übereinander liegt. Aber solche Verzerrungen haben mit der Realität nur noch wenig zu tun – schließlich habe ich nur in der Sensorebene verschoben, das Bildfeld sollte immer gleich geblieben sein.
Nächster Ansatz: Jeweils einen von zehn Ausschnitten nehmen, also nur noch 22 auf einmal. Schon besser:
Hierbei ist noch etwas ungünstig, dass durch die kurzen Einzelbelichtungen eines nicht eben statischen Motivs an relativ vielen Stellen keine brauchbare Überlappung und entsprechend viel Retuschebedarf gegeben ist. Das würde sich zwar dadurch einigermaßen nivellieren, dass ich hiervon ja zehn verschiedene Ebenen habe, die ich nachher noch mischen kann; aber ich habe mich dann entschlossen, den umgekehrten Weg zu gehen: nämlich zuerst den Stapel zur Durchschnittsbildung von jedem der 22 Ausschnitte und erst dann, wenn ich schon weichere Übergänge habe, die Panorama-Funktion.
Wie man sieht, habe ich mich beim Einrichten der Einzelausschnitte ein wenig verschätzt und ober- und unterhalb des Floßes, das ja mein Hauptmotiv sein soll, rechts zu knapp bemessen. Aber bevor man jetzt hart beschneidet, kann man noch die sogenannte Inpainting-Funktion verwenden. Das ist der unscheinbare Button oben im Panorama-Modul von Affinity,
und wenn der aktiviert ist, dann werden nach Klick auf Anwenden (also wenn das Panorama auf eine Pixelebene eingedampft wird) die transparenten Bereiche aufgefüllt. So sieht das dann aus:
Bei so dankbaren Motiven (blauer Himmel wäre natürlich noch besser) funktioniert das schon super. In den rot umrandeten Bereichen ist das Anstückeln in den Übergängen noch deutlich sichtbar, aber schon nach einer halben Minute mit dem Reparaturpinsel sieht es so aus wie im nächsten Bild, und noch zwei Minuten würden so ziemlich alles glätten:
Jetzt ist genug Tofu dran (wer sagt denn heute noch Fleisch …), um das Bild auf sein gewünschtes Endformat zu trimmen, ohne das Hauptmotiv beschneiden zu müssen. Dann noch eine Ebene mit dem Hochpassfilter, einmal kurz die Sättigung anziehen, und fertig ist das Bild von oben.
Tja, trotz Digitaltechnik wird hier schon beim Knipsen viel Zeit und Konzentration gebraucht, und die Nachbearbeitung geht auch nicht grade von selbst – insgesamt ist das eine fast so meditative Angelegenheit wie richtiges Fotografieren 🙂
8 Comments
derbaum
spass macht solche frickelei schon und man kann dabei so schön aus der welt austreten…
cwoehrl
Das haste schön beschrieben. Wobei die Weltflucht ja vor allem beim ersten Teil stattfindet, das aber an guten Tagen wirklich gründlich. Die Nachbearbeitung fühlt sich dann (für mich) wieder mehr wie Arbeiten an.
derbaum
🙂 – das stimmt wohl! ich hab übrigens das moritzburg-pano wiedergefunden – liegt auf dem server ( https://dirwabaum.de/grossebilder/pano%20moritzburg%20.jpg – hier, achtung reichlich 100mB gross). mal sehen ob du den bauarbeiter auf dem gerüst findest und die farbe seines helmes erkennen kannst 😉
Christian Wöhrl
Das ist allerdings wirklich der Hammer, das sind ja schier unendlich viele Details! Den Bauarbeiter habe ich gefunden, aber der hat doch gar keinen Helm auf?!
Und das Pärchen aus Zwillingen hab ich gefunden 🙂
Christian Wöhrl
Hast vielleicht gesehen: Ich hab mich heute auch mal mit einem großen Bild zum Detailssuchen revanchiert 🙂
derbaum
gut, du hast ihn gefunden 🙂 – und bestimmt auch den fotografen mit dem ‚dicken rohr‘ 🙂
ja, ich war auch angetan – das sind irgendwas um 300 bilder – aber man sieht auch den nachteil – die turmspitze fehlt – irgendwann hatte ich den überblick verloren…
Christian Wöhrl
Ich seh eine Person (unterhalb der Zufahrtsbrücke, zwischen zwei Bäumen), die etwas hält, das eine Kamera sein könnte. Aber das kann ich so genau nicht erkennen.
Jo, es ist schwierig bei so aufwendigen Composings, den Überblick zu behalten, im Prinzip muss man sich eine Skizze machen und abhaken. Und dann sind ja immer Unwägbarkeiten dabei. Im Moment habe ich z.B. noch ein
unverarbeitetes76-Teile-Puzzle aus dem Travemünder Passathafen auf dem Recher, der Segler „Passat“ ist im Prinzip komplett drauf. Aber versuch da mal Masten und Takelage passgenau zu montieren, denn es war nicht zu knapp windig während der Belichtungen …derbaum
😉