Praxistipp: Alternativen zu Graufiltern
Bei solchen Themen kann ich mich nie so recht entscheiden, ob sie hierher oder doch eher ins Werkstattblog gehören. Aber da es mehr um digitale als um analoge Technik geht und weil ich heute nebenan schon was geschrieben habe, bleiben wir diesmal hier …
Die klassische Methode, um bei Meerfotos das Wasser wie mit dem Pinsel aquarelliert darzustellen, ist das Grau- oder Neutraldichtefilter. Im Bild oben war es ein ND3,6 auf dem Weitwinkel (Verlängerungsfaktor 4000 bzw. 12 Blenden), das im noch durchaus hellen Abendlicht für eine Belichtungszeit von 40 Sekunden bei Blende 4–5,6 sorgte.
Lange Belichtungszeiten haben aber auch ihre Tücken, siehe voriger Eintrag – so dicht an der Wasserlinie besteht immer das Risiko, dass ein Stativbein im feuchten Sand nachgibt und die Gesamtschärfe perdu ist. Deshalb hier ein kurzer Blick auf anderthalb Alternativen, die ohne Filterung und mit kürzerer Einzelbelichtung auskommen:
Warum die erste Möglichkeit nur halb zählt, sieht man im Bild oben an der Wasserlinie: Diese originellen Gelbgrüntöne gehören da nicht hin. Das Bild ist unter Zuhilfenahme des Sensorshift-Modus meiner Digitalkamera entstanden, der primär zur Steigerung der Auflösung dient. Dabei werden bei einmaligem Auslösen in diesem Fall acht Aufnahmen mit jeweils um ein halbes Pixel verschobenem Sensor gemacht und miteinander verrechnet. Ich nutze dieses Feature oft und gern für Reprozwecke, aber für bewegte Motivbereiche ist es nur begrenzt brauchbar, wie man vor allem in der 1:1-Ansicht sieht – dort entsteht oft ein merkwürdiges technisches Störmuster:
Daher lieber zur zweiten Alternative, für die man auch gar keine Kamera mit Sensorshift braucht, sondern nur ein Bildbearbeitungsprogramm, das mit Ebenen umgehen kann, und das sind heute ja die meisten:
Diese Aufnahme besteht aus sieben Einzelbildern à jeweils einer 1/160 Sekunde Belichtungszeit, das Wasser ist also in den Einzelaufnahmen knackscharf. Die habe ich in diesem Fall mit Affinity Photo (in Photoshop und Artverwandten geht es ähnlich) auf einmal als Stapel geöffnet und mit dem Ebenenmodus Durchschnitt verrechnen lassen:
Vereinfachte Darstellung des Prinzips anhand von zwei Bildern (außen) und deren Durchschnitt (Mitte):
Und da mit jedem zusätzlichen Bild der relative Anteil des einzelnen Fotos sinkt, gilt hier also: Viel hilft viel, je mehr Einzelfotos ich staple, desto weicher wird das Gesamtergebnis. In diesem Fall kam es mir nur auf das Wasser an, daher habe ich die sieben Bilder unmittelbar hintereinander weg geknipst; mit einem Abstand von fünf oder zehn Sekunden zwischen den Auslösungen wären hier auch die langsam ziehenden Wolken noch weicher abgebildet worden. Und als charmanter Bonus-Effekt reduziert sich in den deckungsgleichen Farbflächen zusätzlich das Bildrauschen (rechts Einzelbild, links Stapel):
Viel Spaß beim Experimentieren 🙂
5 Comments
Gerhard
Beeindruckend!
Ich selbst nutze kaum Technik. Würde ich sie nutzen, könnte ich sicher 50% mehr Schärfe erreichen.
Meine Methode ist eben eher das viel fotografieren. Ich setze auf viele Fotos und habe fast immer ein genügend scharfes dabei.
Gruss
Gerhard
cwoehrl
Bei Landschaft ist es aber auch leichter, mit etwas Vorüberlegung zum Wunschergebnis beim ersten Versuch zu kommen. Tiere bekommen bei mir möglichst auch mehrere schnelle Versuche. (Kannst du bei deinen Insekten eigentlich AF nutzen? Wahrscheinlich auch nicht sinnvoll, oder?) Jedenfalls sind Hirsche und Möwen schuld, dass ich in der Ostseewoche für mein Verhältnis extrem viele Bilder gemacht habe, nämlich zwei Filme pro Tag (die Einheit 36 Bilder = ein Film ist nach all den Jahren tief eingebrannt, das rechne ich vollautomatisch um). Diese 500 Aufnahmen dürfte grade auf dem Darß mancher der Tierfotografen aber auch in unter einer Stunde schaffen …
derbaum
das ist spannend – mit dem stapelverarbeiten das hab ich bisher noch nie gemacht – ich knipse lieber lange 😉 – wobei meine nikon wohl so langsem ans ende ihrer lebenszeit kommt – 12 jahre ist für ne digi-knipse auch ein beschtliches alter finde ich…
danke für die tips!
cwoehrl
Ich würde aufs Graufiltern auch nicht komplett verzichten wollen, denn erstens ist es beim Fotografieren selbst so wunderbar entschleunigend, und zweitens hat es ja auch was für sich, wenn das Bild gleich in der Kamera fertig ist und nicht noch ein paar Minuten Photoshopping benötigt. – Ist einfach gut, alle Optionen zu kennen und je nachdem variieren zu können.
Bernhard
Lieber Christian,
Dein Beitrag erinnert mich, dass ich 2 Koffer voller Cokin Filter habe (günstig ersteigert) die ich bisher noch nie eingesetzt habe, sollte ich mal nachholen, mit analogen Filtern zu hantieren.
Ein wenig offtopic sorry.
LG Bernhard