Lagerquark
„Linksruck“ und ähnlicher Lagerquark, seriously? Können wir diese abstrakt-absurde Unterscheidung aus fernen Tagen des Kalten Krieges bitte endlich mal entsorgen?
Für den Moment könnte man zum Beispiel statt nach Rechts und Links nach wirtschaftsfreundlicher und menschenfreundlicher Politik unterscheiden. Ja, das klingt polemisch, aber solange wir bei Wirtschaft vor allem über ressourcenhungrige Branchen, Förderung von Überkonsum im Dienst eines längst nicht mehr haltbaren Wachstums-Begriffs und über die fossile Energiewirtschaft reden, sind es einander ausschließende Ziele. Das Kombipaket ist grade aus, und im Moment lässt sich nicht absehen, ob und wann es wieder reinkommt … Aber bis dahin brauchen wir dringend mal wieder menschenfreundliche Politik – wirtschaftsfreundlich auf Kosten unserer Nachkommen waren wir nun lange genug.
Vielleicht sollte ich die nächsten vier Wochen mal wieder Nachrichtendiät halten, ich reg mich ja doch bloß auf über solche Dinge. Durchaus nicht nur über Söders Gerumpel; auch nicht einseitig darüber, dass bei weiter sich aufspreizender Wohlstandsschere ausgerechnet die Klientelpartei der Superreichen mal wieder als potenzielle Königsmacherin gehandelt wird; sondern es ärgert mich zum Beispiel auch sehr, wie gerade die Grünen ihre eigenen friedensbewegten Ursprünge verleugnen und auf der (auch nicht immer geschickt agierenden) Linkspartei rumprügeln. (Gilt übrigens auch so ähnlich für die SPD, die sich damit frühzeitig unnötig Optionen verbaut. Dabei hatte ich mich grade, trotz meinerseits nicht vorhandener Begeisterung für Herrn Scholz, ein bisschen über die Umfragetrends gefreut; immerhin war ich noch vor acht Wochen der Meinung, dass die Sozen mit einem eigenen Kandidaten antreten, qualifiziere sie als Satirepartei …)
Aber am meisten habe ich mich heute doch mal wieder über Team Laschet geärgert. Wenn es nur um ihn selbst ginge, dann wäre es mir ja fast egal … Mit dem rheinischen Kappskopp als nächster Bundeskanzlerin könnte ich mich notfalls arrangieren, weil ich ihm ohnehin nicht zutraue, aus eigenem Vermögen eine Funktion mit Richtlinienkompetenz auszufüllen; und wenn er sich dann zumindest mit kompetenten Beraterinnen umgäbe, dann wäre zwar alles ein bisschen zum Fremdschämen, aber insgesamt nur halb so schlimm.
Richtig übel würde es hingegen, wenn auch die Fachressorts der nächsten Regierung mit minderperformendem Personal besetzt würden. Und diesbezüglich gab es heute mal wieder einen großen Schritt in die falsche Richtung: indem nämlich (okay, nicht wirklich überraschend) Friedrich Merz als „wirtschafts- und finanzpolitisches Gesicht“ des Laschet-Teams präsentiert wurde. Ein Zeitgenosse in lockerer Fernbeziehung zur Wahrheit, der schon seit Jahren immer wieder unter Beweis stellt, nicht ansatzweise unabhängig genug zur Ausübung eines politischen Amtes zu sein.
Angesichts der kurzfristigen Herausforderungen nicht nur, aber ganz wesentlich bei der Energiewende ausgerechnet diesen notorischen Lobbyisten vorgestriger Industriezweige an die Geldtöpfe setzen zu wollen – viel deutlicher könnte die CDU gar nicht zu verstehen geben, „Liebe junge Generation, ihr und eure Zukunft seid uns schietegal“ … Und genau solche Dinge meinte ich oben mit Wirtschafts- versus Menschenfreundlichkeit.
4 Comments
Frau Momo
Ganz so gelassen sehe ich einen Kanzler Laschet nicht, aber er tut ja zuverlässig alles dafür, es nicht zu werden. Was den Vorteil hätte, das Merz auch nix wird. Was ich inständig hoffe.
Ich bin nach wie vor unentschlossen, aber die Auswahl ist klein.
Frau Bosetti hat Söder gut gekontert;
Auf seinen Tweed, dass die Gefahr bestünde, dass ein Linksbündnis die Macht übernimmt, schrieb sie;
“ die Macht übernimmt“?
Sie meinten sicher, ……gewählt wird
Und das ist keine Gefahr, das ist Demokratie
„Ein Zeitgenosse in lockerer Fernbeziehung zur Wahrheit“ gefällt mir sehr und trifft es auf den Punkt.
Es wird wohl tatsächlich etwas spannend bei dieser Wahl. Ich finde, bei den blau-braunen dürfte es auch noch kräftig abwärts gehen, auch wenn sie in einer Regierung sicherlich keine Rolle spielen werden. Ich möchte diese geifernden Hetzer gar nicht im Bundestag haben, aber das bleibt wohl ein Wunschtraum.
Christian Wöhrl
Ich bin nach wie vor unentschlossen, aber die Auswahl ist klein.
So ist das bei mir auch. Aber wir hatten es ja neulich erst vom Nichtwählen, und das würde ich auch nicht über mich bringen. Immerhin senkt jede gültige Stimme für eine noch so kleine Partei aus dem menschenfreundlichen „Lager“ den Anteil der Falschen.
Ich möchte diese geifernden Hetzer gar nicht im Bundestag haben, aber das bleibt wohl ein Wunschtraum.
Ich bin relativ zuversichtlich, dass sie sich irgendwann selbst ins Aus schießen, aber dieses Mal, da stimme ich zu, sicher noch nicht.
Das Grundübel ist aus meiner Sicht, dass jede realistische Koalition irgendwo bei 50 bis 60 Prozent dümpelt, und wenn wir die Sache mit dem Klima und alles, was dranhängt, ernsthaft angehen wollen, müsste dann auch die jeweilige demokratische Opposition mit eingebunden werden. Unsere Probleme sind zu groß für parteipolitisches Klein-Klein, und solange wir uns weiter an so lächerlichen Nebenkriegsschauplätzen abarbeiten, wie dieser Wahlkampf es auf allen Seiten tut, werden die Probleme immer nur größer.
Der Wilhelm
Analog zum von den U-Parteien an die Wand gemalten Schreckensbild vom „Linksruck“ wäre es für mich ein deutlicher Schritt nach rechts, wenn Laschet Kanzler und Merz damit Wirtschaft- oder Finanzminister würde.
Und so habe ich mich gestern sponta gefragt, was nun als nächstes kommt, wenn er weitere Teile seinen Kompetenzteams vorstellt? Auswahl mit ähnlich polarisierendem Charaker hat er innerhalb seiner Partei ja genug.
Da müstse sich ja auch noch Posten für einen Vertreter der Braunkohle-Lobby als Umweltminister finden lassen?
Und auch die Werte-Union muss bedient werden, um mehr am rechten Rand fischen und der AfD ein paar Stimmen abzujagen zu können. (Herrn Maaßen könnte ich mir in dem Zusammenhang beispielweise gut als Innen und Heimatminister-Kandidaten vorstellen….)
Und deshalb bin ich ganz froh, dass immer mehr Wähler das anders sehen und die Personal-Auswahl des Möchtegern-Kanzlers nicht gut heissen, wie die sinkenden Umfragewerte der U-Parteien es überdeutlich zeigen.
Deshalb tippe ich auch darauf, dass alleine der Name „Merz“ in Verbindung mit dem Wort „Ministerium“ schon aureichen könnte, um das Umfrage-Konto der U-Parteien im Verlauf der nächsten Woche um weitere 3-5 Punkte abrutschen zu lassen.
Insofern bin ich mit Laschets Auswahl das gar nicht so unzufrieden….
Christian Wöhrl
Ah, positiv denken … So kann man es auch sehen 🙂 Wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass Team L. es wagen würde, einen harten Rechtsausleger wie Maaßen in ein Schattenkabinett zu berufen, der polarisiert dann doch allzu sehr. (Warum überhaupt wird immer nur die Distanzierung von der Linkspartei gefordert, aber nicht annähernd so konsequent eine Distanzierung von Knallchargen am anderen Rand?)
In Wirklichkeit haben die sogenannt christlichen Parteien ja gar keine Angst vor einem Linksruck, sondern vor egal welchem Ruck – konstruktiver Umgang mit Änderungen jedweder Art ist einfach nicht ihre Kernkompetenz.
Zu diesem Rote-Socken-Unfug gibt es übrigens heute auch einen schönen langen Text beim Beueler Extradienst: Der Planet verdorrt, überschwemmt und zerstört sich – und wir sollen und müssen imaginäre Kommunisten jagen.