Sammelnotizen zwischen den Jahren
Das war ja perfektes Timing mit dem Weihnachtswetter – seit Montag ist es nur noch grau und bäh, da stört es gar nicht sehr, dass ich wieder den ganzen Tag im Büro verbringe.
Das erste Buch von unterm Baum ist bereits gelesen (aus einem mir nicht bekannten Grund glaubt meine Familie, dass die paar Bücher, die ich pro Monat von Berufs wegen lese, noch nicht genug sind, und stapelt mir immer noch mehr hin …): Rutger Bregman, Utopien für Realisten. War ziemlich interessant, auch wenn ich mit dem Stil nicht recht warm wurde – jedes gute Argument wird doppelt und dreifach wiederholt, und von gerissenen Anwälten bis zur Bibel als größtem Bestseller aller Zeiten wimmelt es nur so von Klischees. Inhaltlich lohnt es sich aber sehr: Es geht darum, dass wir es aufgegeben haben, das Große, das vermeintlich Unmögliche zu denken, und uns nur noch mit kleinen (Pseudo-)Verbesserungen zufrieden geben – dabei könnten wir (wir im Sinne von die ganze Welt) mit ein paar geeigneten Utopien uns das Leben sehr viel besser machen.
Parallel lese ich außerdem gerade Dilemma von Gunther Mair. Untertitel: Warum wir unsere Ressourcen zerstören, obwohl wir es doch besser wissen. Davon wird man auch nicht dümmer – es betrachtet die Allmende-Problematik aus unterschiedlichen Perspektiven und ist sehr nüchtern und faktenbasiert geschrieben, dabei aber verständlich genug auch für naturwissenschaftliche Laien wie mich. Schade nur, dass man ihm das Selfpublishing allzu deutlich ansieht: Es wirkt nicht gesetzt, sondern wie direkt aus dem Texteditor gedruckt.
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Bei Sonnenuntergang eine kleine Runde durchs Dorf. Lange hab ich es nicht ausgehalten – der Nebel war zwar ganz reizvoll, aber der aufdringliche Geruch von Holzheizungen bot die Sorte Reiz, auf die ich gern verzichte.
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Covid mal wieder: Bis vor kurzem hielt ich mich ja für geboostert, nachdem es im Frühsommer die J&J-Impfung und dann im Herbst ein Schöppchen Biontech gab. Nach aktueller Stiko-Lesart (Link führt zu einem PDF) ist das aber auch nur Grundimmunisierung, ich hab daher jetzt für Februar schon wieder den nächsten Piks-Termin. Ich bin wirklich gespannt, wie lange das jetzt noch so weitergeht; und gleichzeitig sorgt das für schlechtes Gewissen angesichts so vieler Länder auf der Welt, in denen die Impfkampagne noch gar nicht richtig losgegangen ist …
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Und sonst so? Reichlich Gründe für gute Laune: Unser angeblicher Kanzler für Klimaschutz denkt sich nix dabei, wenn die EU demnächst Atomkraft und Gas als nachhaltig einstufen will; allein die Lufthansa muss diesen Winter 18.000 sinnlose Flüge durchführen, um ihre Start- und Landerechte nicht zu verlieren; derweil droht in der Westantarktis ein unvorstellbar großer Gletscher in wenigen Jahren auseinanderzubrechen (Link zum englischsprachigen Rolling Stone, so ausführlich habe ich es in deutschen Medien bisher nicht gefunden).
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So, und jetzt schnappe ich mir meine Tochter mit ihrem Netflix-Abo und schaue Don’t Look Up. Ich hab zwar dieses Jahr schon einen Film gesehen, aber wenn sich so viele Klimaforscher darin wiederfinden, wie es auf Twitter den Eindruck macht, könnte es sich lohnen.
PS, 30.12.: Hatte gestern vergessen, dieses Opinion Piece von Peter Kalmus im Guardian zu verlinken. Das hatte mich letztlich überzeugt, den Film anzuschauen, und ist schon für sich lesenswert, auch wegen der vielen weiterführenden Links.
8 Comments
Gerhard
2021 habe ich wieder zu wenig gelesen.
Brockmanns Buch fand ich erhellend, dann ein älteres von wuketits: animal irrationale.
Bin dreimal geimpft, erkranken würde ich nicht schwer ( bis zu 60 x unwahrscheinlicher als ein ungeimpfter), doch ist Vorsicht angesagt.
Das mit der Lufthansa muss ich nachlesen!
Mein fotozähler bei der nikon steht etwa auf 240.000.
Ich muss mal nachrechnen, würde aber für dieses Jahr mind. 50000 Fotos veranschlagen.
Was gut ist, denn dieses Hobby erfüllte mich.
In Animale irrationale gibt der Autor dem Menschen mit seinem Steinzeitgehirn wenig Chancen. Hoffe, er hat nicht recht.
Christian Wöhrl
Brockmann wäre das Buch über Komplexität? Du sagst also, das lohnt sich? Wird abgespeichert 🙂
Wuketits musste ich jetzt nachschlagen, eigentlich erstaunlich, dass mir der noch nicht begegnet ist.
So viele Bücher, so wenig Zeit 🙂
derbaum
und was sagste zum film? (hab ihn vorgestern gesehen – eher zufällig)
alles andere schlimm – von der holzheizung bis zur lufthansa!
Christian Wöhrl
Ich mochte den Skateboarder 🙂
Im Ernst: Durch den knappen Zeithorizont war es für mich dann doch mehr eine Parabel für Covid als für den Klimawandel (obwohl der Film laut Wikipedia wohl schon vor der Pandemie konzipiert wurde). Aber die gängigen Mechanismen von Verdrängung, Leugnung und schierer Idiotie sind schon sehr überzeugend dargestellt worden, fand ich. Man würde das Personal nur zu gern für völlig over-the-top halten, aber im Grunde war ja z.B. Meryl Streeps Rolle kein Deut bizarrer als Donald Trump.
Insgesamt hat sichs schon gelohnt, auch wenn ich z.B. die Nebenhandlung mit der Journalistin ärgerlich fand, weil sie absehbar nur dazu da war, genug Fallhöhe für kitschige Last-Minute-Versöhnung zu schaffen. Und dann wäre der passendere Schluss der Einschlag gewesen (ich mochte es sehr, dass sie im Mindy-Haus erst gar nicht versucht haben, die Effekte realistisch zu gestalten) statt dieses allzu platten Bronteroc-Finales, das noch mal mit dem Holzhammer den Wert algorithmischer Orakel bestätigte und für mich die Kernbotschaft konterkarierte.
derbaum
das war aber noch gar nicht der schluss – man muss auch den abspann bis zum schluss guggn…
und – ich mochte ihn gar nicht, vorhersehbar belehrend, politisch korrekt bis in die finsterste ecke…
Christian Wöhrl
Ich hab den Abspann bis zum Schluss geguckt. Aber diesen Fremdschäm-Knilch fand ich keiner Erwähnung mehr wert 😉
Klar, rundum vorhersehbar war das, aber gab es das aus Hollywood schon mal anders? Ich hab mit sehr wenigen Ausnahmen den Eindruck, dass US-Filme so gemacht werden, dass man sie auch als Hintergrundrauschen und bei drei oder vier gleichzeitig laufenden Programmen kapiert. Bei konzentrierter Betrachtung ist das zuallermeist eine Beleidigung durchschnittlicher Intelligenz. Unter der Prämisse fand ich mich gut unterhalten …
Frau Momo
Ich gehe mal davon aus, dass wir alle das Ärmchen noch öfter freimachen müssen. Ich habe den Cocktail aus Astra, Biontech und nun Moderna.
AKW’s sind also nachhaltig…. ich warte immer noch darauf, das mir jemand erklärt, wie man den Müll nachhaltig lagert. In Deutschland haben wir bis heute keine Lösung dafür. Ich bin jedenfalls froh, dass nun alle AKW’s rund um Hamburg abgeschaltet sind. Die erhöhte Krebsrate rund um Krümmel ist auch sehr nachhaltig. Aber das nur am Rande. Nun geht Brokdorf vom Netz und wir Berufsdemonstranten müssen uns was anderes suchen 🙂 Gorleben gibt ja auch nix mehr her, sonst immer ein gern genommenes Ausflugsziel von mir und meiner Familie.
Gestern dachte ich auch noch kurz daran, bei dem Nebel mal raus zu gehen, aber dann war die Suppe so dick, dass man vermutlich rein gar nichts mehr hätte fotografieren können.
Christian Wöhrl
Dann ist dein Stickeralbum ja fast schon komplett … Für Sinovax und Sputnik wirste dann aber mehr Aufwand treiben müssen 🙂
Dass jetzt allen Ernstes noch mal eine Renaissance der Atomkraft herbeigefaselt werden soll, will mir überhaupt nicht in den Kopf. Man sollte meinen, dass allein schon die Bauzeiten und -Kosten das ausschließen angesichts dessen, wie dringend wir Nullemissionen brauchen.