Wie ich einmal fast mit der Regionalbahn nach Hamburg gefahren wäre
Und eben sprach ich noch von nützlichem ÖPNV …
Vorbemerkung: Seit 1990 bin ich mal mehr, mal weniger regelmäßiger Kunde des Hamburger Verkehrsverbundes HVV, aber die meiste Zeit davon habe ich mir den Luxus einer Abokarte geleistet (auch zu Fahrradpendler-Zeiten, wenn es sich nicht unbedingt gerechnet hat, aber es war einfach komfortabel, immer ein Ticket zu haben). Seit ich nicht mehr in der City arbeite, fahre ich bei sporadischem Bedarf meist mit der U-Bahn in die Stadt, und auf der Walddörfer-Strecke gibt es an den Automaten nur HVV-Tickets – da kann man nicht allzu viel falsch machen. Durch nichts war ich also darauf vorbereitet, dass der Erwerb einer Tageskarte am Regionalbahnhof Ahrensburg eine Expedition in die Abgründe konsequenter Benutzerirreführung werden würde.
Der Ahrensburger Bahnhof ist an den HVV und an die DB angeschlossen, für beide Systeme gibt es (ich beziehe mich auf den Zugang Ladestraße) einen gemeinsamen Automaten mit Tatsch-Bedienung. Oben rechts ist ein HVV-Logo, das anzutippen allerdings keinerlei Folgen hat. Darunter gibt es eine Suchfunktion, Felder zur Zieleingabe, für regionale Angebote und ein Feld mit variierendem Inhalt, dazu später mehr. Wenn ich den Hamburger Hbf als Ziel angebe, kann ich nur eine Einzelfahrt kaufen; das ist aber, spätestens wenn ich mich in Hamburg noch weiter im ÖPNV bewegen möchte, im Vergleich zu einer Tageskarte viel zu teuer. Eine Nutzung der Suchfunktion nach Tageskarte zeitigt das gleiche Ergebnis wie der Aufruf des Feldes Regionale Angebote: Ich habe die Auswahl zwischen einer Fahrradtageskarte im Niedersachsentarif, Tageskarten im Bereich Greifswald-Stralsund, Regio-Tickets Main-Spessart mit und ohne Innenstadtbereich Frankfurt (grausliges Handy-Beweisfoto) und noch einem knappen Dutzend anderer fraglos attraktiver Angebote zur Horizonterweiterung und Völkerverständigung, aber keiner HVV-Tageskarte.
(Spoiler / Zeitsprung: Ich weiß mittlerweile, was ich vorhin noch nicht wusste: Da ist auf der Startseite des Tatschdings dieses Feld mit variierendem Inhalt. Immer, wenn ich da anfangs hinschaute, stand dort ein Link zu den DB-Angeboten von Nah-SH; aber wenn man den richtigen Zeitpunkt erwischt, erscheint da auch mal ein HVV-Logo, und wenn man das antatscht, dann findet man, tadaa!, den Bereich mit den HVV-Karten.)
Jedenfalls war es mir nach zehn der 17 Minuten, die ich für den Fahrkartenerwerb Zeit hatte, zu blöd und ich habe mich des Umstands entsonnen, dass ich die HVV-App auf dem Fon habe. Bisher hatte ich die nur für Fahrplanabfragen genutzt, aber man kann da auch Tickets kaufen, sogar billiger als am Automaten, und mit Paypal zahlen. Nun hab ich einen Paypal-Account und die App auf dem Fon, was soll da schon schiefgehen? – Ihr ahnt es bereits. Natürlich muss man sich für Zahlungsvorgänge noch mal gesondert registrieren, mit all dem Aufwand, den eine ordentliche Bürokratie dafür vorsieht. Bei der Telefonnummern-Abfrage – keine Ahnung, ob ich da zu 10, 30 oder 80% durch war – waren die 17 Minuten auf anderthalb geschmolzen, ich stand noch nicht auf dem Bahnsteig und wusste auch nicht, ob das Procedere überhaupt klappen würde. – An der Stelle habe ich dann beschlossen, dass es im Ahrensburger Tunneltal ja auch ganz schön ist.
Tja, ich hätte euch gern demnächst ein paar Fotos mit Hamburger Hafenromantik gezeigt. So wird es zur Abwechslung mal wieder Moorbilder geben …
6 Comments
Bernhard
Und das nennt sich UX (User Experience) wird doch ganz groß geschrieben, oder? Nee, bei Dir war es im Kleingedruckten versteckt 😀 lieber Christian
LG Bernhard
Christian Wöhrl
Das Kleingedruckte habe ich nirgends gefunden, aber ich bin mir sicher, nach Druck auf den passenden Knopf hätte der Automat es mir sofort zugefaxt.
Brigitte
Ein passendes Beispiel, dass die Automaten nicht auf den Benutzer abgestimmt sind. Hatte ein Jahr das regionale Abo, da ich was für die Umwelt tun wollte, und dann genervt aufgegeben, ich könnte ein Buch schreiben … z.B. der Busfahrer ändert die Route, Wegfall von ca 4 Haltestellen, da er den Bus tanken musste …
Seit mir der Zug wegen einem umständlichen Kartenautomat vor der Nase weggefahren ist, habe ich die App. Wie Du sagst Bürokratie pur und Tage vergehen bis man damit Fahrscheine kaufen kann. Tja und trotzdem kam ich in die Verlegenheit Schwarzfahrer zu sein. Die Bedingungen der App wurden geändert und dazu war ein neues Login notwendig und weiß der Teufel warum die App hat mein Passwort nicht angenommen, am nächsten Bahnhof kaufte ich mir die Karte am Automaten :-))
Schönes Restwochenende, Gruß Brigitte
Christian Wöhrl
Man kann es ja fast schon faszinierend finden, wie sorg- und rücksichtslos solche Schnittstellen heute immer noch gestaltet sind. Als ob all diese Dinge niemals unter Realbedingungen, sondern nur im informierten Kolleginnenkreis getestet werden …
Ebenfalls einen schönen Sonntag!
Frau Momo
Ich bin ja auch nur Gelegenheitsnutzerin des HVV und nutze dann die App. Das klappt zwar ganz gut, aber der Fahrplanauskunft zu entlocken, zu welchen Zeiten ich mit der Fähre in die Stadt komme, ist erstaunlich kompliziert. Und ob die Fähre hier überhaupt hält, weiß man auch nie genau… bei Hochwasser kommt sie unter der letzten Brücke nicht durch, also bemüht man am besten noch zusätzlich den Tidenkalender und guckt aus dem Bus, ob es sich lohnt, rauszuspringen oder lieber zwei Stationen weiterzufahren.
Klaus
Ja, diese Automatenoberflächen scheint direkt aus der Hölle des schlechten Designs zu kommen. Als Jahreskartenbesitzer muss ich mich zum Glück nur gelegentlich damit herumschlagen und habe bei vielen Dingen aufgegeben (Anschlussticket lösen, Fahrradticket kaufen etc …)