Deutsche Fassung: Erin Remblance, Decapitalising our minds
Neulich hatte ich euch einen Artikel von Erin Remblance über Degrowth / Postwachstum empfohlen, und als Uli meinte, dass es schön wäre, den auch auf Deutsch weitergeben zu können, habe ich kurzerhand bei der Autorin angefragt, ob ich ihren Text wohl übersetzen und veröffentlichen dürfe. Ich darf – danke!
Im Folgenden der Gesamttext in rudimentärer Formatierung – ein bisschen schöner sieht er als PDF aus (98 kB, 4 Seiten), das natürlich auch alle Links enthält, denen zu folgen ich ausdrücklich empfehle.
Unser Bewusstsein dekapitalisieren – der Schlüssel zum Umgang mit dem Klimawandel
Von Erin Remblance
Dieser Text wurde unter dem Titel „Decapitalising our minds: the key to addressing climate change“ am 11. Januar 2022 auf Illuminem veröffentlicht.
Deutsche Fassung mit freundlicher Genehmigung der Autorin: Christian Wöhrl.
Weblinks wurden aus dem englischen Original übernommen, soweit keine deutschen Lokalisierungen vorhanden.
Blog-URL: silberpixel.net/2022/02/14/erin-remblance-decapitalising-deutsch/
PDF: cwoehrl.de/files/Dekapitalisieren.pdf
Emissionen steigen weiter. Regierungen lassen uns im Stich. Ein globaler Kipppunkt könnte bereits in nur fünf Jahren erreicht sein. Warum geben wir uns nicht mehr Mühe, die größte Bedrohung in der Geschichte der Menschheit abzuwenden?
Kapitalismus ist der ursprüngliche Auslöser unserer ökologischen Krise und zugleich das entscheidende Hindernis auf dem Weg zu ihrer Lösung. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens kann Kapitalismus nicht ohne Wirtschaftswachstum existieren; vor allem am Wirtschaftswachstum liegt es, dass unsere Emissionen während der letzten 30 Jahre angestiegen sind, und weiteres Wachstum wird es verhindern, dass wir die Dekarbonisierung vor dem Erreichen von Kipppunkten schaffen. Und zweitens ist unser Bewusstsein dergestalt vom Kapitalismus geprägt, dass wir nicht erkennen, welche Rolle er für den Klimawandel spielt und welche Bandbreite an Lösungen verfügbar wäre, um diese Krise zu meistern. Der Sozialpsychologe Professor Harald Welzer fasst es gut zusammen, wenn er das Wirtschaftswachstum industrialisierter Gesellschaften beschreibt als „nicht nur in Wirtschaft und Politik verankert, sondern auch im psychischen Aufbau der Menschen, die in den entsprechenden Gesellschaften aufwachsen“.
Im Wesentlichen machen sechs Aspekte den Einfluss des Kapitalismus auf unser Bewusstsein aus. Im Kapitalismus sind wir als Gesellschaften davon überzeugt, dass
1. die Natur lediglich eine Ressource zur beliebigen Ausbeutung darstellt,
2. unser Konsumverhalten uns Macht verleiht,
3. Erfolg sich in immer noch mehr materiellen Gütern und neuartigen Erfahrungen bemisst,
4. Menschen eine „Ressource“ sind und sich ihren Lebensunterhalt verdienen müssen,
5. Geld knapp ist und die Regierung Entweder-oder-Entscheidungen treffen muss,
6. wir mit anderen im Wettbewerb stehen müssen.
Diese „Kapitalisierung“ unseres Bewusstseins wirft uns bei der Bewältigung der Klimakrise viele Steine in den Weg:
• Wir streiten ab, dass die Krise existiert, weil die Lösungen sich nicht in die kapitalistische Ideologie einfügen;
• wir haben kein Interesse an der Krise und zeigen kein Engagement, weil es anderer Leute Aufgabe ist, sich um die Natur zu kümmern;
• ohne selbst zu erkennen, wie unser Bewusstsein vom Kapitalismus geprägt wird,
• bevorzugen wir Lösungen, die zwar gut gemeint, aber inadäquat sind, weil sie ein frei erfundenes „Grünes Wachstum“ voraussetzen;
• setzen wir uns Ziele, für deren Erreichen es keine sinnvollen Konzepte gibt, und verlassen uns stattdessen auf noch nicht existente Technologie, um die Bedarfslücken zu schließen.
Leider ist die Geisteshaltung, die erforderlich ist, um die Klimakrise zu bewältigen, das genaue Gegenteil der zuvor beschriebenen Denkweise.
Wir sind vollkommen abhängig von der Natur
Überall auf dem Planeten, von Regenwäldern und den Ländereien Indigener bis zu Ozeanen und Berggipfeln, betrachten wir die Natur als etwas, das uns zum Plündern, Beherrschen und Befeuern unseres Wirtschaftswachstums zur Verfügung steht. Die Natur wird kurzsichtig als bloße Ressource betrachtet, die jene mit genug Geld „besitzen“, gewinnbringend ausbeuten und alle anderen von der Nutzung dieser Ressource ausschließen können. Obendrein verwetten wir, in einem verzweifelten Versuch, uns nicht mit der Grundursache der Klimakrise befassen zu müssen, die lebenserhaltenden Fähigkeiten des Planeten an Technologie, die es noch gar nicht gibt, und verschärfen genau dadurch andere ökologische Krisen. Das ist kein rationales Verhalten. Es ist wahnhaft und symptomatisch für eine kollektive Geisteshaltung, die daran glaubt, dass Technologie über allem anderen steht und dass die Natur gezähmt werden kann.
Doch wir müssen die Natur wertschätzen, weil wir ohne sie nicht existieren können. Wir sind ein Teil der Natur, stehen nicht außerhalb der Natur, und das Überleben der Menschheit ist vollkommen von ihr abhängig. Statt unsere natürliche Umwelt zu verscherbeln, um privaten Reichtum zu schaffen, sollten wir sie für kommende Generationen als Treuhänder verwalten. Weil wir glauben, außerhalb der Natur zu stehen, betrachten wir Menschen, die sich um die Umwelt bemühen, als „anders“, als „Ökos“ und „Fundis“; und wir tun ihre Sorgen als ihr Privatvergnügen ab, was uns erlaubt, sie gedanklich in eine Schublade wegzusortieren – das sind bloß Leute mit anderen Überzeugungen und Prioritäten –, obwohl wir ihnen viel eher zuhören sollten, nachfragen, lernen, um uns schlussendlich ihnen anzuschließen.
Systemwechsel ist die einzige Lösung
Wenn Sie sich auf irgendeine Art mit der Klimakrise beschäftigen, dann haben Sie sich höchstwahrscheinlich schon einmal gefragt, „Was kann ich tun?“, um dann auf Gedanken zu kommen wie die Reduktion Ihres Energiebedarfs, Wechsel auf erneuerbare Energiequellen, weniger Autofahren und Fliegen, Kauf eines E-Fahrzeugs, weniger Fleisch essen: alles Dinge, bei denen es darum geht, wie Sie, als Einzelne*r, Ihr Geld ausgeben. Das dürfte einer der größten Erfolge des Kapitalismus überhaupt sein – denn dadurch haben wir umso weniger Antrieb, den Kapitalismus selbst zu ändern. Dass Menschen auf ihre Rolle als Verbraucher*innen reduziert werden, die nicht daran glauben, dass sie jenseits ihrer Verbrauchsgewohnheiten nennenswerte Macht haben, führt zu einer ganz erheblichen Trägheit, wenn es darum geht, sich als Bürger und als Gemeinschaften zusammenzuschließen und gemeinsam zu handeln. Und genau so hat der Kapitalismus es gern. Passenderweise war es eine PR-Agentur im Auftrag von BP, die das Konzept des persönlichen CO2-Fußabdrucks entwickelt hat – nämlich genau zu dem Zweck, den Fokus wieder auf den Einzelnen zu richten und davon abzulenken, welch immense Emissionen das Geschäftsmodell der Firma verursacht und welche Verantwortung sie trüge, sich damit zu befassen.
Zwar sind individuelle Maßnahmen gut gemeint und ein wichtiger „Einstieg“; aber inzwischen sind wir so spät dran, dass es nicht mehr genügt, als Verbraucher zu handeln. Wir müssen unsere kollektive Macht als Bürger*innen nutzen, um Einfluss auf so viele Menschen wie möglich zu nehmen, und die Wahl von Politikern ermöglichen, die das Wirtschaftssystem verändern, um es nicht auf Wachstum, sondern auf das Wohlergehen der Menschen und des Planeten auszurichten. Wir brauchen eine kriegsähnliche Denkweise und müssen zusammenarbeiten, um die Stärke der Vielen zu nutzen – sonst wird das bleibende Vermächtnis unserer Lebenszeit der Zusammenbruch der menschlichen Zivilisation sein.
Wir brauchen weniger, nicht mehr
Kapitalismus braucht Wachstum zum Überleben. Um dieses fortdauernde Wachstum zu gewährleisten, dürfen wir nach Ansicht des Kapitalismus nie zufrieden sein. Er ist darauf angewiesen, dass wir immer mehr wollen, dass wir uns unerfüllt und unbefriedigt fühlen. Dass wir nach mehr materiellen Gütern verlangen und nach immer neuen Erfahrungen. Viele Menschen sehen im Erwerb und dem Ansammeln von beidem geradezu ihren Daseinszweck, ein Symbol ihres „Erfolges“. Der Primat des Shareholders und die bloße Fixierung auf Profit ließ eine Werbeindustrie entstehen, die einige unserer tiefsten emotionalen Bedürfnisse ausbeutet: unser Statusstreben und unser Verlangen, uns einzufügen. Heute werden wir von bis zu 10.000 Anzeigen täglich bombardiert, die uns ermuntern, Sachen zu kaufen, die wir wahrscheinlich nicht brauchen, vielleicht nicht einmal wollen, und nächstes Jahr das gleiche noch mal und viel mehr davon. All das „Zeug“ steigert nicht unser Wohlbefinden, sondern treibt uns an die Schwelle des ökologischen Zusammenbruchs.
Wirtschaftswachstum (gemessen am Wachstum des BIP) ist verknüpft mit dem materiellen Fußabdruck – einschließlich Energieverbrauch – und kann davon keinesfalls entkoppelt werden, schon gar nicht rechtzeitig, um noch katastrophale Erwärmung aufzuhalten. Daher müssen wir weniger Ressourcen verbrauchen, wenn wir sicherstellen wollen, dass uns Dekarbonisierung im Einklang mit den wissenschaftsbasierten Zielmarken gelingt. Das bedeutet: Auch das BIP wird schrumpfen. Im Kapitalismus wäre das undenkbar: Es würde Rezession bedeuten, hohe Arbeitslosigkeit und zunehmende Armut. Um das zu verhindern, müssen wir das System ändern und auf eine Degrowth– oder Postwachstums-Ökonomie umstellen. Forschungsergebnisse zeigen, dass es mittels Effizienz und Technologie möglich wäre, den Lebensstil westlicher Staaten in den 1960er Jahren zu pflegen und dabei innerhalb unserer CO2-Budgetgrenzen zu bleiben: Wir würden glückliche, gesunde und sinnvolle Leben führen und dabei weniger brauchen. Vielleicht beginnen wir ja gerade, die Schönheit im „Genug“ zu erkennen – wie viel reicher könnten wir sein. Unser Planet, und mit ihm unsere Zukunft, wäre ganz sicher reicher.
Wir alle sind so viel mehr als unsere Fähigkeit, Wertschöpfung für das Kapital zu erbringen
Wir müssen Arbeit „als den höchsten Daseinszweck entthronen“ und als den kapitalistischen Imperativ begreifen, der sie ist: Wir arbeiten – oft in Bullshit Jobs –, weil wir zum Überleben darauf angewiesen sind. In einer Gesellschaft, in der wir in eine Erwerbsarbeit gezwungen werden und unser Recht auf Leben erst „verdienen“ müssen, gibt es keine Freiheit. Menschen sollten wir schlicht wegen ihres Menschseins schätzen und ihnen das Recht auf ein Leben in Würde zubilligen – dazu gehören Gesundheitsfürsorge, Wohnen, Bildung, Ernährung, Kleidung –, und zwar unabhängig von der individuellen Fähigkeit oder Bereitschaft, zur Wertschöpfung des Kapitals beizutragen. Eine Strategie, den kapitalistischen Imperativ Arbeite! in seine Schranken zu weisen, ist das Bedingungslose Grundeinkommen BGE: eine Zahlung an jede und jeden zur Deckung der elementaren Kosten. Entgegen einem verbreiteten Irrglauben hat die Forschung nachgewiesen, dass Menschen mit einem BGE produktiver werden. Vor allem sind sie produktiv darin, Dinge zu tun, die ihnen wichtig sind: sich um ihre Liebsten kümmern, um die Gemeinschaft, um die Natur – eben um all das, was bei der Erhebung des BIP durchs Raster fällt. Genau das ist für viele die Arbeit, die sie gern tun möchten. Und ganz sicher ist es die Arbeit, die wir tun sollten.
Wenn wir unser gegenwärtiges Modell beibehalten, in dem die meisten Jobs im privaten Sektor entstehen und deshalb zwingend aus Natur und Arbeitskraft Profit schlagen müssen – ohne Rücksicht auf Umweltfolgen –, werden wir höchstwahrscheinlich die Zwei-Grad-Marke der Erderwärmung reißen. Nichtstun ist kein Konzept, das in einer kapitalistischen Gesellschaft hoch im Kurs stünde, aber wenn wir die Klimakrise bewältigen wollen, dann ist es wünschenswert, dass Menschen weniger tun – jedenfalls weniger der Tätigkeiten, die für den heutigen Arbeitsmarkt typisch sind. Ja, wir könnten uns sogar mit dem Gedanken anfreunden, dass Nichtstun, obzwar das genaue Gegenteil der hochgeschätzten „harten Arbeit“, gar nicht verkehrt ist. Der Arbeitsökonom Professor Guy Standing weist darauf hin, dass „Nichtstun die wohl wichtigste Aktivität überhaupt ist, weil es Ihnen neue Energie gibt und eine andere Perspektive und weil es die kreative und die politische Seite des Denkens fördert“ – alles Dinge, die die Welt gerade sehr dringend braucht.
Das Defizit ist ein Mythos, Knappheit künstlich
Regierungen, die Währungen ausgeben, sind nicht wie Haushalte und nicht gezwungen, einen „ausgeglichenen Haushalt“ vorzulegen. Wie die COVID-19-Pandemie gezeigt hat – und zuvor die globale Finanzkrise ebenso wie die meisten Militärhaushalte –, kann Geld leicht verfügbar gemacht werden, wenn nur politischer Wille gegeben ist. Das ist bekannt als moderne Geldtheorie (Modern Monetary Theory, MMT): Regierungen, die Währungen ausgeben, müssen keine Kredite aufnehmen, um Geld zu schaffen (und wenn sie Kredite aufnehmen, können sie ihre Schulden immer zurückzahlen), und sie müssen keine Steuern erheben, um die Staatsausgaben zu finanzieren. Der Mythos der Geldknappheit dient als Vorwand, um nichts für sozial sinnvolle Zwecke ausgeben zu müssen, wozu auch die Bewältigung der Klimakrise gehört.
Sobald wir erkennen, dass Geld nicht knapp ist und für alles Erdenkliche verfügbar gemacht werden kann, erschließt sich eine völlig neue Welt von Möglichkeiten. Wir können die Infrastruktur finanzieren, die benötigt wird, um das Wohlergehen der Menschen zu gewährleisten, und zugleich unseren materiellen Fußabdruck verkleinern: hochwertigen öffentlichen Verkehr, Gesundheitsfürsorge, Bildung, sozialen Wohnungsbau, eine Job-Garantie für jede*n, die und der arbeiten möchte, sowie ein universelles Grundeinkommen für alle. Obendrein können wir mit Tempo in die Erzeugung erneuerbarer Energie einsteigen – die Obergrenze wird einzig durch die Produktionskapazitäten der einzelnen Nationen definiert. Nach MMT ist Geld „etwas, das wir nutzen, nicht etwas, das wir besitzen“, und es werden Maßnahmen ergriffen, die Inflation zu kontrollieren und sicherzustellen, dass sich Reichtum nicht in den Händen allzu weniger konzentriert. MMT ist das perfekte Gegenmittel zum Kapitalismus, „der unter Bedingungen des Überflusses nicht überleben kann“.
Wir sind dafür da, für andere zu sorgen
Kapitalismus verlässt sich auf den Wettbewerb freier Märkte und auf Knappheit – echte und künstliche –, um zu überleben. Er verlangt von uns zu glauben, dass wir nur mehr haben können, wenn andere weniger haben. Daher beeinflusst der Kapitalismus die Fähigkeit jener, die vom System profitieren, zu Einfühlungsvermögen und zu Mitgefühl gegenüber anderen. Gary Olson behandelt das Thema sehr tiefgehend in seinem Buch Empathy Imperiled: Capitalism, Culture and the Brain, in dem er von Studenten berichtet, denen zwar globale Ungerechtigkeit und Ungleichheit gegenwärtig sind, die das allerdings rational ausblenden, weil sie „irgendwann einen Mercedes 450SL haben“ möchten, weil sie denken, dass sie kein „gutes Leben“ haben können, wenn „ihre Regierung keine schrecklichen Dinge tut“, oder dass der Zweck die Mittel heiligt. Wir können durchaus andere Menschen bedauern, ohne uns doch in sie einzufühlen: Denn wir nehmen an, selbst niemals in ihrer Situation zu sein. Das wird von Forschungsergebnissen gestützt, die einen umgekehrten Zusammenhang zwischen Reichtum und Empathie belegen.
Wir haben als Gesellschaft unsere Menschlichkeit verloren, und das lässt sich nicht mehr leugnen. Vom Klimawandel zuerst und am heftigsten betroffen sein werden Menschen in Entwicklungsländern – genau genommen sind viele bereits heute betroffen. Aber statt alles in unserer Macht Stehende zu tun, um unsere Emissionen zu reduzieren, ziehen wir es vor, strengere Grenzregimes einzuführen, um sicherzustellen, dass Klimaflüchtende gründlich abgeschreckt werden, unsere Küsten zu erreichen, oder dass sie dafür lebensgefährliche Risiken auf sich nehmen müssen. Anders als der verbreitete Glaube ans „Überleben des Stärksten“ es nahelegt, sind Einfühlung und Fürsorge für Andere von der evolutionären Selektion in uns fest verdrahtet: Wir haben überlebt, weil wir uns fürs Wohl des großen Ganzen eingesetzt haben, nicht etwa dank Eigeninteresse und Individualismus. Es sollte nicht wirklich überraschen, dass ein kollektiver Mangel an Empathie uns auf den Weg der Ausrottung führt.
Der Pfad nach vorn
Letztlich können wir eine Menge lernen von Indigenen Kulturen, die überall auf der Welt seit zehntausenden von Jahren überlebt haben, ohne den Planeten an den Rand des ökologischen Zusammenbruchs zu treiben. Aktuell haben Indigene Völker einen Anteil von rund 6 % der Weltbevölkerung, schützen aber 80 % der verbleibenden Biodiversität. Das liegt daran, dass Indigene Kulturen die Natur respektieren und wertschätzen und dass sie mit ihr arbeiten statt gegen sie. Sie treffen Entscheidungen mit der Perspektive über etliche Generationen, nicht nur für die nächste Legislaturperiode. Sie leben einfache, unmaterielle Leben. Sie sorgen füreinander, respektieren einander und arbeiten zusammen auf ein gemeinsames Ziel hin.
Auf der Grundlage neuer Informationen den eigenen Standpunkt zu ändern ist keine Schwäche; im Gegenteil: Es ist die Quintessenz des Lernens. Dennoch wird es Menschen geben – das sind meist jene, die vom Status quo profitieren –, die es bevorzugen, ihrer Ideologie treu zu bleiben, statt so unleugbare Fakten anzuerkennen wie „Es ist nicht möglich, auf einem begrenzten Planeten unbegrenzt zu wachsen“. Statt diesen Leuten um den Bart zu gehen mit Gerede von Klima-Aktivismus, der „gut für Jobs und Wachstum“ ist – was auf echten Klima-Aktivismus einfach nicht zutrifft –, müssen wir all die Milliarden Menschen mobilisieren, die von einem neuen ökonomischen Modell profitieren werden, bei dem Menschen und der Planet im Herzen des Systems stehen und nicht ein Wirtschaftswachstum, das den Planeten zerstört.
Alle Pfade nach vorn eint die Tatsache, dass Demokratie kein Zuschauersport ist. Das Schlimmste – wenn auch leider nicht alles – an der Klimakrise ist vermeidbar, aber damit das klappt, ist ein Systemwechsel dringend erforderlich. Wir müssen in gemeinsamer Anstrengung neue Führungspersönlichkeiten wählen, die darauf eingestellt sind, Menschen und den Planeten ins Zentrum der Entscheidungsprozesse zu stellen; denn das derzeitige Establishment hat in den letzten 30 Jahren unter Beweis gestellt, dazu nicht in der Lage zu sein. In der gesamten Gesellschaft eine „Dekapitalisierung“ unseres Bewusstseins zu bewirken, das ist zweifellos eine enorme Herausforderung; aber auf dem Weg dahin können wir damit anfangen, eine Reihe politischer Maßnahmen einzuführen, die nicht nur die Natur zu heilen beginnen – und damit die Überlebenschancen der Menschheit zu verbessern –, sondern auch dem Wohlergehen einer großen Mehrheit der Weltbevölkerung dienlich sind. Die Alternative ist ganz einfach katastrophal: ein Planet, der nicht mehr auf Dauer bewohnbar ist. Es liegt an uns zu entscheiden, welches unser Vermächtnis sein soll.
2 Comments
Frau Momo
Erst mal danke für Deine Mühe der Übersetzung. Ich kann zwar sehr gut englisch, aber muttersprachlich liest sich so ein Text dann doch leichter. Ich muss den auch so schon mehrfach lesen, finde ihn aber sehr lesenswert
Christian Wöhrl
Ich freue mich, wenn’s nützt. Als Mühe habe ich das allerdings nicht empfunden, Übersetzungen von Sachtexten sind eher ein Hobby. (Sofern es um Themen geht, mit denen ich mich zumindest mehrheitlich identifizieren kann wie hier – würde nicht alles 1:1 unterschreiben, aber die Richtung stimmt für mich.)