Scham
Ich schäme mich für mein Land und meinen Kontinent.
Dafür, dass die EU ihre Gebäude in den ukrainischen Farben beleuchtet, aber gleichzeitig weiterhin Öl und Gas aus Russland bezieht und damit Putins verbrecherischen Angriffskrieg auf die Ukraine finanziert.
Dafür, dass es die Bundesregierung allen Ernstes mit wirtschaftlichen Interessen begründet, Russland nicht sofort aus SWIFT zu werfen. Natürlich würde das viel Geld kosten. Aber jeder Tag, den wir diesen Terroristen gewähren lassen, kostet viele weitere Menschenleben und ziemlich sicher auch viel Geld. (Wobei die Menschenleben allein als Argument schon genügen, es sei denn, man wollte behaupten, dass deren Wert sich nach EU-/NATO-Mitgliedschaft bemisst, und auf diesem Niveau wäre Diskussion sinnlos.)
Dafür, dass Kriegswaffen aus deutscher Produktion seit eh und je bedenkenlos an alle möglichen Terror-Regimes weltweit geliefert werden, es aber mit Pazifismus begründet wird, sie einem Nachbarn in ärgster Not vorzuenthalten.
Dafür, dass wir Putins wichtigsten Mann in Berlin immer noch alimentieren, nur weil dieser schmierige Lobbyist leider mal Kanzler war.
Und ich schäme mich für jede und jeden Einzelnen von uns, die jetzt über Heizkosten, Spritpreise und Börsenkurse jammern. Kaum mehr als 1000 km von hier werden systematisch Zivilisten ermordet, also hört auf, über Lappalien zu winseln. Dass wir für unsere Energieversorgung von einem Land abhängig sind, dessen derzeitiger Führer nicht krank, nicht irrsinnig, sondern einfach sehr machtgierig und sehr böse ist, das haben wir uns selbst zuzuschreiben – die Alternativen sind von unseren eigenen von uns gewählten Regierungen seit Jahrzehnten wider besseres Wissen boykottiert worden. Und von uns selbst, die wir aus Bequemlichkeit oder falsch verstandener Sparsamkeit darauf verzichtet haben, uns um die Alternativen zu bemühen.
Frieden hat einen Preis, Freiheit hat einen Preis. Den haben wir selbst hochgetrieben. Und es wird immer nur teurer werden (in Euro und in Menschenleben), je länger wir dabei zuschauen, wie Frieden und Freiheit nebenan zerbombt werden.
4 Comments
Christian Wöhrl
Nachtrag: Unbedingt lesenswert heute Max Steinbeis im Verfassungsblog.
https://verfassungsblog.de/ein-furchtbares-verbrechen/
Der Wilhelm
Danke für diesen Denkanstoss…
Und ja, Du hast Recht.
In allen Punkten, die Du hier aufgeschrieben hast.
Aebby
Ja
… und den Artikel von Max Steinbeis habe ich auch schon gelesen
… und ich hätte nie gedacht, dass mich die kollektive Schuld nochmal auf diese Weise trifft
… und ich verzweifle gerade an der Frage was ich tun könnte
Christian Wöhrl
Tja, was könnten wir hier tun? Spenden, klar, aber auch möglichst laut widersprechen, wenn jetzt wieder die Kalten Krieger aus ihren Löchern kommen und den deutschen Idealismus für gescheitert erklären (heute etwa prominent J. v. Altenbockum auf faz.net). Ich finde es unerträglich, wie viele verknöcherte Säcke lieber die Welt brennen sehen, als sich selbst einzugestehen, dass sie seit Jahrzehnten die falsche Ideologie vergöttern.