Sammelnotizen mit Wassernotstand und diversen Netzwerken
Zuerst die schlechte Nachricht. Update planetare Grenzen: Grenze für Süsswasser überschritten vermeldete vorgestern das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Mit der zu erwartenden Folge, dass der Amazonas-Regenwald sich einem Kipppunkt hin zur Versteppung nähert und auch in anderen Teilen der Welt sich die Bodenfeuchte drastisch ändert. Habt ihr davon in irgendwelchen nennenswerten Nachrichtensendungen gehört? Ein Bild des Jammers mal wieder, unsere Medien.
***
***
Für mich selbst könnte mir Twitter ja ziemlich egal sein – hab halt einen Account dort, der aber nur sporadisch bespielt wird, und finde das permanent hohe Erregungs-Niveau dort jedes Mal aufs Neue anstrengend. Aber dass es ein nützliches Tool zur Vernetzung und schnellen Mobilisierung sein kann, würde ich ihm nicht absprechen, und vor diesem Hintergrund beobachte ich interessiert auch die derzeitige Wanderbewegung zum als Twitter-Alternative gehandelten dezentralen Mastodon, weil ich in nächster Zeit wieder stärker innerhalb von Strukturen aktiv werden möchte statt immer bloß allein. Hab dazu heute ein paar unsortierte Gedanken notiert:
Neulich las ich irgendwo sinngemäß, die Klimakrise sei so dringend und in so kurzer Zeit anzugehen, dass die Klima-Bubble es sich nicht erlauben könne, die über Jahre aufgebauten Twitter-Strukturen aufzugeben und andernorts neu anzufangen.
Ja. Nein:
Wäre ich für die Social-Media-Aktivitäten einer Organisation zuständig, würde ich sicher nicht Hals über Kopf meine Präsenz bei Twitter aufgeben – nicht mal dann, wenn nicht Elon Musk, sondern Donald Trump den Laden übernähme. Die Möglichkeiten dieser algorithmus-getriebenen Plattform, sehr kurzfristig beeindruckende Aktivierungsquoten für die unterschiedlichsten Anliegen zu erreichen, sind halt schon enorm und auf einer völlig anders strukturierten Plattform nicht ohne weiteres reproduzierbar. Und sicherlich ist der Aufwand, ein funktionales Netzwerk auf Mastodon herzustellen, noch mal eine Ecke größer als bei Twitter, weil im dezentralen Fediversum alles ein bisschen erklärungs- und arbeitsintensiver ist.
Dennoch muss man sich bei Twitter im Klaren sein, dass man als Aktivisty ja nur geduldet ist, so lange man als Feigenblatt nützlich genug ist, um die Nachteile abweichender Meinung zu kompensieren. Mal angenommen, die Klimabewegung nimmt plötzlich Fahrt auf, so dass Konzepte wie Degrowth in die Nähe von Mehrheitsfähigkeit kommen und Systemwechsel nicht mehr nur eine ferne Fantasie ist. Wenn wir dann den Besitzern kommerzieller Netzwerke auch nur ansatzweise gefährlich werden, dann sind wir bei Twitter doch schneller raus, als wir „Ja, aber“ sagen können.
Und spätestens an dem Punkt ist es halt gut, noch eine Fallback-Option zu haben. Wir müssen nicht von jetzt auf gleich alle nur noch auf Mastodon-Instanzen netzwerken, aber ich denke schon, dass man individuell wie als Orga ein bisschen Zeit darein investieren sollte, sich bei Bedarf von den kommerziellen Plattformen abzukoppeln und dann nicht auf schnell gehäkelte Mailinglisten angewiesen zu sein.
Das begründet zumindest meine Motivation, mich im Rahmen meiner zeitlichen Möglichkeiten möglichst bald auf Mastodon zurechtzufinden und dafür meine Aufmerksamkeit bei Twitter ein bisschen zurückzufahren.
***
***
Zum Abschluss noch mal das Potsdam-Institut, mit einem wirklich hübschen 15-Minuten-Film, Complexity:
(Nur nebenbei: Wenn mich nicht alles täuscht, ist die Dame in Grün bei Minute 5:14 die wunderbare Buchkünstlerin Tina Flau. Würde jedenfalls passen mit Potsdam.)
4 Comments
Frau Momo
Ich benutze Twitter ganz selten. Selber schreibe ich da gar nix. Es gibt ja den Versuch einer Alternative:
https://troet.cafe/about
Aber so ein Riese ist schwer zu knacken. Ich versuche immerhin, What’s App nicht mehr zu benutzen, nur dienstlich muss ich das leider noch.
Die Amsel hat ja Recht… warum gibt es noch keine Amsel oder Meisenreifen?
Christian Wöhrl
Ja genau, troet.cafe ist auch eine Mastodon-Instanz wie climatejustice.social, die ich neuerdings benutze. Nutzt du das selbst? Weiß also nicht, ob du diese Erklärung brauchst, aber für alle anderen, die hier Bahnhof verstehen:
Diese Mastodon-Instanzen sind, wenn man so will, viele kleine selbst gehostete Minitwitters, die aber untereinander kompatibel sind. Diese Server können ein paar Dutzend oder auch ein paar tausend Mitglieder haben, und man kann grundsätzlich server-übergreifend einander folgen und ziemlich nahtlos kommunizieren. (Außer Mastodon-Servern gibt es in diesem Ökosystem, dem Fediversum, auch Open-Source-Alternativen zu flickr, youtube usw., und alles ist miteinander kompatibel.)
Jeder Server / jede Instanz hat mehr oder weniger fein ausformulierte Nutzungsbedingungen, an die man sich halten soll, und wenn z.B. ein Server berüchtigt dafür ist, dass er hate speech und dergleichen toleriert, dann wird er halt von anderen Servern geblockt werden; man muss also individuell viel weniger blocken als bei Twitter, um sich Hetze und Hass vom Leib zu halten. Dadurch (und durch ein paar schöne UI-Entscheidungen – man kann z.B. anderer Leute Beiträge zwar liken, aber sieht nicht auf den ersten Blick, wie viele Likes die haben) ist nach meinen ersten Erfahrungen das Klima im Fediversum deutlich besser als auf Twitter. Aber es ist zuerst etwas mehr Aufwand, reinzukommen und sich zurechtzufinden.
Klaus
Spinnweben am Rad? Das kann ja keins von Dir sein. Vom Rost ganz abgesehen. 🙂
Ich hab wieder mal meinen Twitter-Account deaktiviert, mal sehen wie lang.
Bei Mastodon habe ich schon mehrere Anläufe genommen; hat nie so lange vorgehalten. Schaun’wer mal. Vielleicht klappt es jetzt; immerhin sind 5 oder 6 mir bekannte Leute von Twitter rübergekommen. Bleibt abzuwarten, wie sich das entwickelt. Die vielen z. T. unübersichtlichen Optionen machen die Nutzung am Anfang nicht einfach.
Der freundliche Umgang dort gefällt mir. Im Gegensatz zu den Twitter-Trends, bei denen ich nach 30 Sekunden Lektüre meist alles anzünden wollte.
Christian Wöhrl
Das Rad ist Teil unserer Gartendeko. Es lehnt am alten Kirschbaum und hindert den am Umfallen … Das tauchte hier schon öfter auf, einmal auch mit einem anderen Fahrer: https://silberpixel.net/2021/07/02/das-fahrradbild-zum-wochenende/
Ich finde die Atmosphäre im Fediverse bisher auch ausgesprochen angenehm. Die übelsten Auswüchse von Social Media scheinen quasi von selbst draußen zu bleiben. Bei Twitter gucke ich vorläufig trotzdem noch rein, ein paar Klima- und Fahrradlisten habe ich so komprimiert woanders noch nicht gefunden. Aber es ist tatsächlich so, dass die gleiche Zeit, da und dort verbracht, bei Twitter unvermeidlich für den höheren Puls sorgt.