Randbemerkungen

Kontraproduktive Satire

Wer am Freitag auf Social Media unter­wegs war, konnte den Hinweisen auf die abend­liche #rafdp-Sendung von Jan Böhmer­mann kaum entgehen. Ich war auch neugierig genug geworden, um mir abends die halbe Stunde anzu­schauen, fand sie aber extrem enttäuschend:

Zugegeben: Sie hat all jenen einen Spiegel vorge­halten, die es in Ordnung finden, Klima­aktivismus unter Terror­verdacht zu stellen, und vor allem im Vorfeld war es hübsch zu beob­achten, wie einige der übelsten Hetzer*­innen anfingen herum­zuwinseln, als sie mit ihren eigenen miesen Methoden ange­gangen wurden. Aber die Sendung selbst verzich­tete leider komplett auf ernst­hafte Kritik und beschränkte sich auf Klamauk. Dabei hat Böhmer­manns Redak­tion schon mehr als einmal bewiesen, dass sie investi­gatives Talent hat; das wäre für den hier verhan­delten Themen­komplex hoch will­kommen gewesen.

Denn es ist ja nicht von der Hand zu weisen, dass sich der Vulgär­libe­ralismus Lind­nerscher Prägung und Teile der bürger­lichen Rechten samt ihrer flan­kie­renden Medien sehr wohl radika­lisieren, nur eben in eine völlig andere Rich­tung und längst nicht so plump wie von Böhmer­mann kari­kiert: Wenn etwa auch außer­halb Bayerns über Präventiv­strafen für poten­zielle Klima­demons­trierende fanta­siert wird, offen­bart sich eine erschre­ckend verbrei­tete Verach­tung für Demo­kratie und Rechts­staat. Und wenn es jetzt in den Kreisen jener, die noch bis vorges­tern jeden menschen­gemachten Klima­wandel leug­neten, schick wird, über Anpas­sung zu sprechen, dann ist auch dies kein erfreu­liches Zeichen begin­nender Einsicht, sondern im Gegen­teil ein Warn­signal erster Güte, wie bspw. Natascha Strobl neulich konzis erläutert hat.

Über solche Entwick­lungen muss gespro­chen werden, und genau das hatte ich mir nach all den Teasern von der gest­rigen Sendung erhofft – die dann leider im Seichten stecken blieb. Aber gemessen an der Reso­nanz, die sie auch heute noch medial erhielt, steht zu befürchten: Wer in nächster Zeit ernst­haft über Radika­lisierung rechts der Mitte sprechen möchte, erntet nur Abwinken, denn mit #rafdp ist das Thema vorläufig verbrannt …

6 Comments

    • Christian Wöhrl

      Also nach einigen Appetithäppchen übern Tag à la „staatszersetzende Welt-Gruppe“ usw. hatte ich eigentlich schon gehofft, dass da ein bisschen Substanz kommt, weil er mir doch verschiedentlich (zuletzt bei der Verfassungsschutz-Sendung) als Mehr-als-nur-ein-Clown aufgefallen war. Aber gut, diese Radikalisierungs-Problematik ist dann doch vielleicht zu ernst für so ein Format.

  • Frau Momo

    Ich habe die Sendung nicht gesehen, aber das man hier hellwach werden muss als Bürger, ist leider nötig. Zumal ich denen, die jetzt Präventivhaft und ähnliches fordern, unterstelle, dass es zumindest nicht nur um Straftaten von Klimaaktivist:innen geht, sondern man hier mal schnell auf dem Ticket flugs Bürgerrechte beschneiden kann und dafür erst mal sogar gesellschaftlichen Konsenz erzielt.

    • Christian Wöhrl

      Genau das ist der Punkt: Die Regeln des Rechtsstaats gelten solchen Zeitgenoss*innen nur so lange, wie sie sich egoistischen Zielen dienstbar machen lassen. Aber wehe, die Entwicklung geht dahin, die eigenen Privilegien auch nur vorsichtig infrage zu stellen …
      Speziell unser glorreicher Oppositionsführer und Hobbypilot lässt sich ja in letzter Zeit mit Äußerungen zitieren, die sich inhaltlich von Trump-Positionen kaum noch unterscheiden lassen. Und damit ist er kein einzelnes Irrlicht, sondern solche Perversionen wie die Forderung nach Haft bei Wiederholungsgefahr bekommst du als offizielles Statement der CDU, wenn du beschwerdehalber einen Brief dorthin schreibst. Diese Partei denkt überhaupt nicht dran, zur Kenntnis zu nehmen, dass die aktuellen Entwicklungen eine zwangsläufige Folge von 16 Jahren vorsätzlichen Versagens beim Klimaschutz sind und dass jetzt erst mal ein bisschen Demut angebracht wäre … Aber das schweift jetzt ab, denn es ist halt auch nicht die CD/SU allein das Problem. Hier wird grade aus vielen verschiedenen Richtungen der Ton schärfer, und das macht mir nicht zu knapp Sorge, da sich unsere größten Probleme alle nur kooperativ lösen lassen.

  • uli

    Da ging’s mir wie dir. Ich hatte mich auf die Sendung gefreut. Aber während meine Frau auf dem Sofa wegdämmerte, wurde mein Gesicht immer länger. Schade, denn das Versagen der „liberalen“ Partei angesichts der bayrischen Unfassbarkeiten müsste dringend denen um die Ohren gehauen werden, die immer noch meinen, die FDP stünde für Liberalismus. Dabei steht sie nur für Markt, Porsche und Verachtung aller sozialen Neigungen, zu denen Menschen fähig sind.

    • Christian Wöhrl

      Und dabei ist dieses Liberalismus-Defizit in der Präventivhaft-Debatte doch so offensichtlich wie nur was … Ich finde es wirklich beängstigend, mit was für eklatanten Widersprüchen gegen die vorgebliche eigene Programmatik Politikerinnen und Parteien durchkommen können, weil noch nicht genug Bürgerinnen genau hinschauen.

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