Vermischtes zu L.
Ein kleines Gedächtnisprotokoll von Samstag – das wird demnächst Teil einer größeren, diversen und durchaus auch kontroversen Sammlung von Demo-Berichten bei den Parents for Future, den Link werde ich nachreichen.
Ein bisschen Anspannung war dabei, als wir uns gegen halb fünf Uhr früh am Busbahnhof trafen: Immerhin hatten einige aus unserer Ortsgruppe in der Vorwoche bei der Anreise nach Lützerath eine dreistündige Polizei-Aktion über sich ergehen lassen müssen. Diesmal ging aber alles reibungslos, und insgesamt 12 Busse aus Hamburg kamen rechtzeitig in der Nähe des Demo-Startpunkts an. Unser Parents-Grüppchen hatte vorher sogar noch Zeit für den Versuch, von einem Wall aus einen Blick auf den Tagebau zu werfen. Das scheiterte allerdings an Polizisten, die oben standen und konsequent alle Neugierigen gleich wieder runterscheuchten. Dann also noch ein bisschen Plauderei und Selfies mit der Münchner Parents-Delegation, bis der Demo-Zug losging. Zu dem Zeitpunkt war völlig unklar, wie viele Menschen heute vor Ort waren; sicher war nur, dass es viele sein mussten, denn ich konnte von meinem Platz im Zug aus zu keiner Zeit den Anfang oder das Ende des Lindwurms sehen.
Bei niedrigen Temperaturen, Dauerregen und beißendem Wind bewegte sich die Demo extrem langsam vorwärts, nur bei gelegentlicher „Hoch mit dem Klimaschutz, runter mit der Kohle“-Gymnastik war etwas Aufwärmen drin. Trotzdem empfand ich die Stimmung durchweg als gut; Menschen aller Altersgruppen gaben ein buntes, friedliches und freundliches Bild ab.
Bis wir in die Nähe des Demo-Endpunkts kamen, war es auch schon wieder Zeit, an den Rückweg zu denken, da das durch die Ruhezeiten unserer Busfahrer vorgegeben war und wir noch ca. 5 km zum Treffpunkt zu laufen hatten. Von den Tumulten, die zu dem Zeitpunkt wohl schon im Gange waren, war in unserem Teil der Demo generell nichts zu hören oder zu sehen, das haben wir nur durch besorgte Messenger-Rückfragen aus dem Heimathafen mitbekommen. Allerdings habe ich von weitem die Rede von Peter Donatus hören können und war mir in dem Moment schon unsicher, ob es eine gute Idee sei, relativ unverblümt zum Barrikadensturm aufzurufen … Trotzdem kommt es mir im Rückblick so vor, als sei der riesige friedliche Teil unserer Demonstration medial wieder einmal weitgehend ignoriert worden, was ich enorm schade finde – weil so natürlich nicht über unser Anliegen geredet wird, sondern über Marginalien, mit denen es sich prima vom eigentlichen Thema ablenken lässt.
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Zumal die hier aktuell durch das Gewaltmonopol überlegene Konfliktpartei nicht verstanden hat, dass sie durch ihr aktuelles Vorgehen nicht nur die #Gesundheit ihrer Bürger*innen aufs Spiel setzt, sondern perspektivisch auch ihre eigene Existenz.
Die Kolleg*innen der Psy4F haben heute im Fediverse was richtig Gutes zum Thema veröffentlicht – bitte hier entlang.
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Nachdem hier zuletzt eine gute Woche lang mein Grünen-Text der oberste Eintrag war, ist mir eins noch wichtig festzuhalten:
Es sah in letzter Zeit so aus, als würden in der öffentlichen Kritik vor allem die Grünen wegen Lützerath Feuer unterm Hintern bekommen. Das ist aber nur bedingt so gemeint, glaube ich. Zumindest ist mein Standpunkt dabei:
Ja, die Öko-Partei braucht in der Causa L. einen Schuss vor den Bug, nachdem sie sich auf einen extrem dubiosen, intransparenten und schmutzigen Deal eingelassen hat – die soll sich erst gar nicht an dasselbe Level von Korruption gewöhnen, das sich die übrigen großen Parteien und deren Wählerschaft traditionell als Wirtschaftskompetenz schönlügen.
Aber der eigentliche Kritikpunkt wohl der allermeisten von uns ist der Kohleabbau per se, egal von welcher Partei der nun durchgewinkt wird. Wir haben uns als Deutschland im Paris-Abkommen völkerrechtlich verpflichtet, einen Beitrag zur Begrenzung der Erderwärmung zu leisten, und wenn wir die Kohle unter Lützerath noch verfeuern, dann werden wir vertragsbrüchig – es ist wirklich so einfach.
Mein persönlicher Antrieb, mich verstärkt in dieser und ähnlichen Angelegenheiten der Klimagerechtigkeit zu engagieren, hat außerdem mit der Erkenntnis zu tun, dass Legalität und Legitimität nicht immer dasselbe sind. Nach dem Buchstaben des Gesetzes mögen Kohle- ebenso wie auch Öl- und Gaskonzerne berechtigt sein, ihrem Geschäft nachzugehen und womöglich gar den Schutz der Polizei dafür anzufordern; angesichts der nicht mehr zu leugnenden Tatsache, dass sie seit 50 und mehr Jahren wussten, welche zerstörerische Wirkung ihr Geschäftsmodell für die Zukunftsaussichten der Menschheit hat, ist gleichwohl zu konstatieren, dass sie damit vielleicht das Rechtmäßige, ganz sicher aber das Falsche tun. Und sie wissen es, ziehen aber keine Konsequenzen draus, weshalb es aus meiner Perspektive absolut legitim und für anständige Menschen schlicht geboten ist, ihnen – notfalls auch mit Methoden in Grenzbereichen des buchstäblich Legalen – in die Suppe zu spucken.
4 Comments
Gerhard
Gut zu lesen!
Christian: an der Stelle, ich komme nicht nehr so gut herum. Deshalb war dein Kommentar bei mir gold wert.
In der heutigen Zeit ist es schon Zeichen guter Gesundheit, sich einzubringen. Zuviele Konfliktherde. Man ist gewissenermassen überwältigt.
Ich denke gerade an den Film koyanisquatsi, kennst du ihn?
Christian Wöhrl
Den Film kenne ich tatsächlich nicht, obwohl ich mich erinnere, dass der in meiner Kino-Hochphase quasi Dauergast in den Programmkinos gewesen sein muss. Mal schauen, vielleicht findet er sich im Netz irgendwo …
Frau Momo
Funfact am Rande.. RWE fordert nun Schadensersatz vin den Demonstranten… äh, wir sollten den von RWE fordern.
Christian Wöhrl
Genau, das kann dann gern verrechnet werden …