Lützerath und die grüne Idee
Mein Wahlkreis-Abgeordneter hat Post bekommen.
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Lieber Herr von Notz,
heute wende ich mich an Sie als „meinen“ grünen Wahlkreis-Abgeordneten, weil ich mir große Sorgen um die Partei mache, der ich zwar nicht als Mitglied angehöre, deren Zielen ich mich aber seit Jahrzehnten näher fühle als allen anderen großen Parteien im Land – via Parents for Future arbeite ich in meiner Freizeit auch intensiv für diese Ziele. Es geht um Garzweiler und Lützerath, und meine Sorge lässt sich knapp in einem Satz ausdrücken, den ich zuerst vor einigen Tagen auf Social Media geäußert habe:
Zu befürchten steht, dass im Raum Lützerath genug Abraum anfiele, um die grüne Idee bundesweit zu verschütten.
Ausführlicher: Niemand, den ich kenne, folgt dem Narrativ, das dem „RWE-Deal“ zugrunde liegt, dass der vorgezogene Ausstieg aus der Kohleverstromung den Preis des Abbaggerns zusätzlicher Abermillionen Tonnen Kohle wert ist. Wir sehen hier nur, wie die Partei, in die viele von uns große Hoffnungen gesetzt haben, nach Jahrzehnten der Stagnation endlich die Energiewende in Deutschland voranzubringen, auf Basis fragwürdiger Gutachten und intransparenten Geschachers zur Erfüllungsgehilfin eines Konzerns wird, dessen Geschäftsmodell darin besteht, die mittelfristigen Existenzgrundlagen der Menschheit zu vernichten.
Das ist nicht das, wofür wir Sie gewählt haben – im Gegenteil. Und es ist weder gut für die Grünen noch gut fürs Land, erst recht nicht für unsere Kinder.
Ich bitte Sie als ein profiliertes Mitglied der Grünen-Fraktion herzlich: Setzen Sie alles daran, dass die Kohle unter Lützerath doch noch im Boden bleibt.
Ein weiterer Gedanke: Da Sie mir bisher im Wesentlichen als Innen-Experte aufgefallen sind, erlaube ich mir, auf die Polizei-Groteske rund um den Bustransfer von Hamburg nach Lützerath am 8. Januar hinzuweisen. Ich hätte selbst, wäre mir keine Erkrankung in den Weg gekommen, in dem Bus gesessen und habe die maßlose Aktion der Hamburger Polizei intensiv verfolgt. Es würde mich sehr freuen, wenn Sie Ihren Einfluss geltend machten, damit aufgeklärt werden kann, wie es dazu kommen konnte, dass 50 Bürger*innen aus so „gefährlichen“ Gruppierungen wie BUND und Fridays / Parents for Future drei Stunden lang erkennungsdienstlich behandelt, mittels Gefährderansprache unter erheblichen psychologischen Druck gesetzt, ja kriminalisiert, sowie in der Ausübung ihres Demonstrationsrechts behindert wurden.
Mit besten Grüßen aus dem südlichen Stormarn
14 Comments
Armin
@chriswoehrl Es gibt Grüne, die sich dieser Zerstörung der Zukunft unserer Kinder entgegen stellen. Herr Notz und viele andere etablierte Grüne gehören nicht dazu. Reinhard Mey: "Sei wachsam, merke dir die Gesichter gut"https://www.klimabuendnis-hamm.de/aufruf-zum-widerstand-gruene-fuer-luetzerath/
Christian Wöhrl
Ja, ich weiß (oder zumindest: vermute) das wohl, aber ich war ohnehin gerade textlich im Flow und wollte nichts unversucht lassen …
zuvielzugross
@chriswoehrl Leute helft mit… Heute und morgen einmal kurz von zuhause die Aktivisten in Lützerath unterstützten. Schreibt eine E-Mail an die Grünen bei denen liegen gerade die Nerven Blank. Es braucht nur einen kleinen Schubser!
Jan Mayen
@chriswoehrl Und, was schätzt Du?Wie viele Textbausteine wird die Antwort, wenn denn überhaupt eine von @KonstantinNotz kommt, enthalten?
Christian Wöhrl
Im Ernst erwarte ich gar keine individuelle Antwort. Aber indem gerade sehr viele Menschen sich an ihre Abgeordneten wenden, und zwar mit persönlichen Anschreiben, die wohl etwas mehr Eindruck machen dürften als Mailbombing mit Vordrucken, sollte der (Gegen-)Druck etwas erhöht werden, und das scheint mir gerade sinnvoll.
Frau Momo
Diese Durchsuchungsaktion in Hamburg habe ich auch verfolgt und mich besorgt das aus mehreren Gründen. Denn hier werden im Vorwege Leute kriminalisiert, die ganz „normal“ auf dem Weg zu einer angemeldeten Demo waren. So kann man das Demonstrationsrecht auch von hinten quer durch die Brust aushebeln und ich finde das mehr als bedenklich.
In der Sache bin ich natürlich bei den Leuten in Lützerath. Ich war selber vor ein paar Jahren im Hambacher Forst. Nach Lützerath kann ich leider nicht fahren.
Christian Wöhrl
Man muss nicht immer vor Ort sein. Beiträge zur Bewusstseinsbildung sind auch wichtig, und die leisten du und dein Liebster ja reichlich.
Thore
Danke für die Inspiration! Wer gar nichts sagt, kann gar nichts ändern. Ich habe mir erlaubt mich auszugsweise an Deinem Text zu bedienen und für mich angepasst für ein Schreiben an meine Grüne Abgeordnete zu verwenden. Vielleicht höhlt ja der stete Tropfen den Stein.
Christian Wöhrl
super!
Christian Wöhrl
(Übrigens kann ich mich nicht recht entscheiden, ob ich den Zähler für die Likes unter dem Artikel nun dauerhaft ein- oder ausschalten soll. Stand jetzt, 23 Stunden nach Veröffentlichung, steht der schon über 400, was natürlich Quatsch ist – offentlich wird bei jedem Boost oder Kommentar aus dem dezentralen Fediverse eine Rückmeldung gesendet, die bei dem Zähler des Like-Plugins als „mag ich“ ankommt …)
Darf man das?
Soll ich eine offizielle Anfrage an den Herrn von Notz stellen? 😉 (Hatte Wochenenddienst und jetzt klebt das Thema eh an mir…)
Es ist wirklich ein kohlestaubiger Scheißdreck, dass ausgerechnet die Partei, von der man in dieser Sache theoretisch am meisten hätte erwarten können, jetzt, da sie am meisten Möglichkeiten hat, etwas zu drehen, vergessen hat, wofür sie mal angetreten ist.
Grmpf.
Christian Wöhrl
Soll ich eine offizielle Anfrage an den Herrn von Notz stellen?
Wenn sich das dienstlich rechtfertigen lässt – gern 😉
MaryMarasKittenBakery
@chriswoehrl Erstklassig. Danke dir!
Heike W 🌈🌳
@chriswoehrl Sehr gut!