Versuch eines Gleichnisses
I.
Stell dir vor, du hast eine kleine Firma. Mit der erwirtschaftest du einen gewissen Umsatz bzw. Gewinn, und am Jahresende überschlägst du, welchen Betrag du für dich privat entnehmen kannst, ohne dass es den Fortbestand deines Unternehmens gefährdet.
Nun hast du dir allerdings irgendwann angewöhnt, mehr als das wirtschaftlich Vertretbare zu entnehmen. Erst ein bisschen, dann noch mehr, dann das Doppelte … Nun gut, die weitere geschäftliche Entwicklung hielt dabei mit, die Insolvenz blieb bislang aus. Warum also nicht so weitermachen? So entnimmst du inzwischen fast das Dreifache des Vertretbaren – wie lange das wohl noch gutgeht?
II.
Erweitern wir das Bild: Du bist nicht die/der alleinige Inhaber*in der Firma, sondern ihr seid rund 180 Anteilseigner, und ihr geht sehr unterschiedlich vor bei der Privatentnahme eurer Anteile. Da gibt es z.B. einen kleinen Rotzfrechen, der genau weiß, dass ihr auf seine Dienste angewiesen zu sein glaubt. Der nimmt sich dreist fast das Neunfache des ihm zustehenden Anteils raus. Dann gibt es ’nen großen Starken, mit dem niemand streiten möchte – der hält es für angemessen, das Fünffache an sich zu reißen. Sag selbst: Dagegen nimmt es sich doch fast schon fair aus, dass du dich mit dem knapp Dreifachen begnügst?
Und dann gibt es noch die vielen anderen: Gut zwei Drittel von euch entnehmen teils deutlich mehr, als ihnen zusteht, ein knappes Drittel entnimmt nur den jeweils fairen Anteil oder weniger. Insgesamt betragen die Privatentnahmen aktuell rund 170% des wirtschaftlich Vertretbaren. Die Insolvenz droht also rechnerisch weniger schnell als im Modell des Einzelunternehmers – aber ist das deshalb schon solides Wirtschaften?
III.
Die Sache mit den übermäßigen Privatentnahmen läuft nun schon seit Jahrzehnten, und allmählich beginnt es an der Substanz der Firma zu bröckeln. Aber nicht etwa gleichmäßig: Besonders gemein ist dabei, dass es in den Abteilungen der am wenigsten gierigen Anteilseigner am stärksten knirscht. Da sind dann zum Beispiel immer häufiger die Toiletten verstopft, und jetzt müssen die ersten mal dringend und kommen zu dir.
Tja, und dann sagst du: „Sorry, aber mein Dreilagen-Flauschklopapier wird just-in-time geliefert. Wenn hier plötzlich mehr Leute müssen, muss ich dann womöglich bald zweilagiges nehmen; also kneift halt die Backen zusammen, und hier habt ihr ’nen Pömpel.“ Beste Voraussetzungen, um sich den weiteren Herausforderungen für die Firma gemeinsam zu stellen, oder?
PS: Falls es euch nicht ohnehin klar war – alle Zahlenverhältnisse in diesem Text beziehen sich auf die Anteile einzelner Nationen am Earth Overshoot Day 2023, nicht etwa auf irgendwelche realen Firmen. So dringend notwendig fundierte Kapitalismus-Kritik ist, glaube ich doch nicht, dass irgendein auch nur halbwegs vernünftig geführtes Unternehmen so mit seiner Substanz umgehen würde, wie wir das als Weltgemeinschaft mit unserem Planeten tun.
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Also was ich eigentlich heute noch sagen wollte: Frohe Weihnachten, oder was immer ihr feiert!
Und denkt dran, die Wohnzimmergardine offen zu lassen, damit euer örtlicher CDU-Vorsitzender beim Patrouillengang sehen kann, dass ihr ’nen Weihnachtsbaum habt …
4 Comments
Darf man das?
Schiiiiiet, ich hab gar keinen Weihnachtsbaum.
Weil… ich dachte, meine Katze hat schon einen Kratzbaum, muss reichen. Und Heiligabend bin ich eh nie da…
Christian Wöhrl
Dann wirfste halt Lametta an den Kratzbaum, USB-LED-Glimmer, gut is’. Hauptsache, es geht dir nicht wie Gerda: https://mastodon.social/@DieFurie/111624880452645887
Darf man das?
Fun Fact: Bearbeitungszeit einer Ausländerbehörde Hamburg für einen Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels für 12 Monate derzeit: > 13 Monate. Für Leute, die alle ihre Unterlagen artig beisammen haben (allerdings keinen Weihnachtsbaum…).
Falls noch einer fragt, warum das mit dem Abschieden von Leuten ohne Aufenthaltserlaubnis und so so lange dauert. Ich lehne mich deshalb entspannt zurück: Nächstes Jahr Weihnachtsbaumkauf simulieren reicht.
(Frag mich nicht, ob ich gerade an Behördenschlachtassistenz-PTBS leide…)
Birte
Herr Merz kann kommen, wir sind sowas von staatstragend. Ich hoffe, er erstickt irgendwann in seinem Leitkultur-Mief.
Dir auch schöne Tage, wie immer Du sie ausfüllst.