Generisches Murkskulinum
Bisher habe ich mich in meinen Blogs, seltene Ausnahmen bestätigen die Regel, nicht nennenswert um sprachliche Geschlechtergerechtigkeit bemüht; denn lange genug dachte ich, na ja, es gibt wichtigere Probleme. Aber kürzlich habe ich einen pädagogischen Sammelband an die Druckerei abgeliefert, dessen Autor:innen sehr konsequent gendern, und bei dieser Gelegenheit meine eigene Haltung hinterfragt. Mit dem Ergebnis, dass ich das generische Maskulinum, das vorgeblich alle anderen Geschlechter mitmeint, inzwischen für einen Ausdruck veralteten patriarchalen, letztlich halt doch ausgrenzenden Denkens halte und mir vorgenommen habe, in Zukunft diesbezüglich etwas sorgsamer zu sein.
Und perfekt dazu passend hatte gestern Prof. Dr. Anna Katharina Mangold einen sehr schönen Artikel im Verfassungsblog (es lohnt sich auch, den dortigen Links zu folgen, vor allem hierhin), nämlich aus Anlass eines durchgehend im generischen Femininum formulierten Gesetzentwurfs, der in der Koalition ein Stürmchen verursachte. Fast möchte ich sagen: Wenn das Gezeter aus dem Innenministerium so laut ist, dann hat da jemand offensichtlich einen sehr guten Job gemacht …
Aber auch abseits aller Polemik denke ich, dass unachtsamer Sprachgebrauch eben auch geeignet ist, gesellschaftliche Missstände zu zementieren, und Defizite in der Geschlechtergerechtigkeit gehören eindeutig dazu. Sicher sind das Gender-Sternchen oder auch der Doppelpunkt wie oben (den ich für brauchbarer halte, weil er den Lesefluss weniger hemmt und so das Gemeinte eher beiläufig und damit selbstverständlicher vermittelt) noch nicht der Weisheit letzter Schluss; aber solange wir uns nicht über was Besseres verständigt haben, sind solche Details, so hoffe ich, zumindest ein kleiner Beitrag zur Bewusstseinsbildung.


7 Comments
hanneselch
Meine Sicht: Geschrieben funktioniert der Doppelpunkt gut.
Gesprochen funktioniert weder Doppelpunkt, noch Sternchen oder Camel-Case-I.
Daher finde ich es les und hörbarer, wenn man beide Formen nennt oder neutrale Formen verwendet.
Natürlich ist mir bewusst, dass man dann immer noch nicht alle Geschlechteridentitäten mitnimmt, aber ich hakte es für den besten Kompromiss. Die reun feminine Form sorgt halt leider für Unklarheiten, weil wir es anders gewohnt sind.
cwoehrl
Neutrale Formen fände ich auch besser, aber das ist mit unseren bisherigen Möglichkeiten fast ebenso sperrig, wie die beiden Haupt-Formen zu nennen. – Aber genau diese Gewohnheit ans „inklusive“ Maskulinum gilt es aus meiner Sicht aufzubrechen, wobei mir klar ist, wie schwierig das ist – mir selbst ist die Problematik seit bald zehn Jahren geläufig, aber ich war halt so dran gewöhnt …
Thomas_U
Ich habe diese Seite in meinem feed-reader und finde dort immer wieder interessante Hinweise, wie wir genderneutral oder -übergreifend formulieren können: https://geschicktgendern.de
Die Seite zum aktuellen Fall: https://geschicktgendern.de/generisches-femininum-im-gesetzentwurf/
Liebe Grüße aus Freiburg und vielen Dank für die vielen schönen Fischland-Fotos!
cwoehrl
Danke, Thomas, das ist ein toller Hinweis. Das dortige Wörterbuch kommt gleich in meine kleine Linkliste sprachlicher Nachschlagewerke! Herzliche Grüße zurück gen Süden 🙂
Gerhard
Sehr hilfreicher Link, danke!
Bernhard
Früher war Deutsch eine Sprache, die Dinge exakt auf den Punkt gebracht haben. d.h. etwas exakt beschreiben konnte. Denken wir nur an Goethe oder Schiller und Co.
Heute ist das nur noche ein Gelalle und total unpräzisie um ja nirgends anzuecken. Geht die Sprache vor die Hunde, geht das Denken vor die Hunde.
LG Bernhard
cwoehrl
Ich bin grade nicht sicher, ob ich die Zielrichtung deines Kommentars richtig verstehe, Bernhard: Jedenfalls geht es beim sog. Gendern ja nicht darum, nicht anzuecken, sondern es geht ja gerade um Präzision. Zu Zeiten von Goethe und Co. war es z.B. völlig okay, juristische Texte im Maskulinum abzufassen, weil viele Rechte sowieso nur für Männer galten. Da sind wir heute aber bedeutend weiter, die Sprache ist bloß noch nicht in der Lage, das abzubilden.