Eine bastelfreundliche optische Bank

Digitales Low-Budget-Großformat

Grund­sätzlich gibt es Fach­kameras in zwei Bau­formen: Die Lauf­boden­kamera hat ein eher kleines Packmaß bei oft relativ geringem Gewicht, während die sper­rigere Kamera auf optischer Bank meist üppi­gere Verstell­wege aufweist. Da der modu­lare Aufbau einer optischen Bank unseren Bastel­zwecken sehr entgegen­kommt, wird hier nur dieser Kameratyp besprochen.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahr­hunderts beson­ders weit verbreitet waren Fach­kameras der nieder­ländischen Firma Cambo. Die hießen „Super Cambo“ oder später „Cambo SC“, im engli­schen Sprach­raum waren sie auch als „Calumet“ gelabelt. Das waren nicht die luxu­riösesten Modelle (nament­lich sind die Regler für die Verstel­lungen hier nicht selbst­hemmend, sondern müssen separat gelöst und wieder fest­gezogen werden), sondern eher der preis­günstige Einstieg ins Groß­format mit den wesent­lichsten Funk­tionen. Für alles hier Beschrie­bene sind sie völlig ausrei­chend, und im Gegen­satz zur schickeren, meist sehr teuren Konkur­renz findet man eine komplette Cambo SC im „kleinen Groß­format“ 9×12 cm bzw. 4×5 Zoll immer mal unter 200 Euro. Außerdem sind die einschlä­gigen Platt­formen auch ziem­lich voll mit allen Einzel­teilen, die man so brauchen könnte, zu meist okayen Preisen.

So eine Kamera auf optischer Bank sieht im Kern so aus:

Auf einem Grundrohr (hier hat es quadra­tischen Quer­schnitt mit 1 Zoll Seiten­länge1) sitzen zwei sog. Stan­darten, die bei der Cambo im 4×5-Format baugleich, also austauschbar sind. Diese sind auf dem Grund­rohr beweg­lich ange­ordnet; über ihren Abstand zuein­ander wird die Scharf­einstellung gere­gelt – je einer der Dreh­knöpfe löst oder sperrt, der andere sorgt für die Verschie­bung auf dem Grund­rohr. Die Stan­darten lassen sich an ihrer Basis beliebig weit drehen (um volle 360 Grad, solange kein Balgen montiert ist) und um je 2,5 Zenti­meter seit­lich verschieben. Der quadra­tische Rahmen, der nachher alle sons­tigen Bauteile aufnimmt, ist in der Höhe auf insge­samt 12 cm verstellbar und lässt sich auf Höhe der Objektiv-Mitte um je ca. 30 Grad nach vorn und hinten schwenken. (Die Anschlüsse in den Standarten­rahmen sind auf beiden Seiten iden­tisch, man kann sie nachher also, je nach erforder­lichem Abstand zwischen Objektiv und Sensor, „außen“ oder „innen“ haben.) – Wichtig, wenn man so ein Gerät im Internet sucht: Bei einer optischen Bank muss immer auch eine Stativ­schelle (rechtes Bild) dabei sein, ohne eine solche macht die Kamera weniger Spaß 🙂

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Ein wichtiger Teil der Kamera ist ihre Mattscheibe. Streng genommen könnten wir nachher auch ohne sie auskommen, aber dafür müsste man immer dann, wenn das Digi-Bild aus mehr als einem Ausschnitt bestehen soll, die Bildkomposition abschätzen – also nehmen wir sie lieber mit. (Notfalls lässt sich aber auch eine aus Klarglas selbst herstellen. Und wie sich die Cambo-Mattscheibe an einer „nach innen“ gedrehten Standarte befestigen lässt, obwohl das ab Werk nicht so gedacht ist, dazu habe ich nebenan was geschrieben.)

Manchmal werden bei im Internet angebotenen Fachkameras auch eine oder mehrere Objektivplatinen mitgeliefert, ohne oder mit Objektiv; aber dazu mehr in Teil 3.

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Zu einer voll­ständigen Kamera gehört nun noch mindes­tens ein Balgen, der die licht­dichte Verbin­dung zwischen Objektiv- und Sensor­ebene herstellt. Da gibt es zwei Typen:

Der Falten- oder Zieh­harmonika­balgen (links) ist der univer­sellere, weil er sich an mitt­lere und lange Brenn­weiten anpassen und weiter in den Nahbe­reich fokus­sieren lässt als der sack-artige Weit­winkel­balgen (rechts). Der ist vor allem bei kurzen Brenn­weiten im Vorteil, weil ein Falten­balgen, wenn er stark kompri­miert ist, zu steif ist für große Verschiebe­wege der Stan­darten gegeneinander.

Weil für unsere Zwecke aber Brenn­weiten, die im Großformat als kurz gelten – Pi mal Daumen 100 Millimeter und weniger –, etwas proble­matisch sind2, empfiehlt sich eher ein Falten­balgen. Damit können wir nachher dann solcherlei Akro­batik machen:

Aber bevor wir das tun, müssen wir noch ein Objektiv und die Kamera anschließen. Darum geht’s in Teil 3.

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Digitales Low-Budget-Großformat

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  1. 1 Zoll = 25,4 mm; Standarten und Stativschelle sind erfahrungsgemäß gut kombinierbar mit 25x25er Quadrat­rohren aus dem Metall-Zuschnitt, Sonderlängen lassen sich also improvisieren ↩︎
  2. viele Digital­kameras mögen es nicht, wenn das Licht sehr schräg auf den Sensor fällt, und quit­tieren das mit Abbildungs­fehlern; kurze Brennweiten sind daher in unserem Nutzungsprofil fast nur im Nahbereich mit entsprechend mehr Balgen­auszug und Abstand zum Sensor sinnvoll nutzbar ↩︎

2 Comments

  • Aebby

    „viele Digital­kameras mögen es nicht, wenn das Licht sehr schräg auf den Sensor fällt, und quit­tieren das mit Abbildungs­fehlern“

    Das Problem kenne ich auch, bei den frühen digitalen Spiegelreflexkameras war auch die Empfindlichkeit noch vom Einfallswinkel abhängig. Ich weiß nicht ob das heute auch noch so ist.

    • Christian Wöhrl

      Das mit der Empfindlichkeit ist mir nie begegnet, nur starke Farbverschiebungen. Hatte früher zwei für Leica M gedachte Voigtländer-Weitwinkel, die ich gern digital weiterbenutzt hätte; aber die haben das halbe Bild lila eingefärbt …

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