Schon wieder vorbei
Heute war der letzte Gültigkeitstag des 9-Euro-Tickets. Es wird mir mächtig fehlen. Nicht dass ich es exzessiv genutzt hätte – viele Präsenztermine bei Kunden hatte ich übern Sommer nicht, und für üppig Freizeitverkehr war es zu wenig Freizeit … Aber immerhin: Mehrmals bin ich (oder sind wir) nach Hamburg in den Hafen gefahren, jedenfalls häufiger als sonst um diese Zeit im Jahr und auch mal nur zum Feierabend; die Zubringerfahrten für meine Radwanderung hätten mit regulären Bahnpreisen im unteren dreistelligen Bereich mehr gekostet (noch mal etwa so viel wie alle Zeltplatzübernachtungen); und ein paar Tagestouren an die Küste sind auch noch dringewesen, über die ich sonst in dieser Form dreimal nachgedacht hätte, ob das wirklich so sein muss.
So wie heute zum Beispiel. Da bin ich mit der Bahn über Lübeck nach Bad Kleinen gefahren, von da mit dem Rad nach Wismar und dann immer ostseenah bis Travemünde, wo ich wieder in die Bahn nach Hause gestiegen bin (es wird Bilder geben, aber nicht mehr heute). Für den Transport waren zusätzlich zum 9€T bloß noch die sechs Euro für die DB-Fahrrad-Tageskarte fällig sowie ein Euro fürs Rad auf der Priwallfähre. Zu normalen Bahn-Konditionen kostet so eine Tour dagegen immer gleich ein kleines Vermögen, weil man in zwei Flächenländern unterwegs ist und mit dem SH-Tarif allein nicht weit kommt.
Tja, erst mal vorbei mit dem kleinen Glück. Zumindest hat der Bundesverkehrtminister heute ja angedeutet, dass es gegen die erklärte Absicht seines Parteichefs Gespräche geben wird, wie etwas Ähnliches perpetuiert werden kann.
Dabei wäre es mit ein bisschen gutem Willen ja ein Leichtes, den ÖPNV so zu bepreisen, wie es sich für einen Sozialstaat gehört, nämlich zum pauschalen Nulltarif. Geld genug wäre allemal vorhanden; würde man bloß all jene Subventionen und Steuererleichterungen streichen, die sowohl klimaschädlich sind als auch nur den reichsten paar Prozent zugute kommen, würde der Staat sogar noch Wechselgeld rauskriegen (das dann für den Ausbau der Infrastruktur gut investiert wäre).
Stattdessen werden nun wieder die haarsträubendsten Ideen diskutiert. Hoch im Kurs zu stehen scheint zum Beispiel ein 49-Euro-Ticket mit ähnlicher Funktionalität wie jetzt das Neuner. I beg your pardon? Wer soll denn bitte Interesse daran haben, übers Jahr fast 600 Euro auszugeben für das Privileg, mit der Bimmelbahn theoretisch von der Waterkant an den Alpenrand fahren zu können?
Außerdem sind 49 Euro meines Wissens schon wieder deutlich über dem Betrag, der bei Hartz IV für Mobilität vorgesehen ist (aktuell müssten das 40 Euro sein). Wenn wir berücksichtigen, dass auch arme Menschen das Recht haben sollten, zumindest ein Mal im Jahr ein Fernverkehrs-Ticket kaufen zu können, sind also 20 bis maximal 25 Euro für ein universelles Nahverkehrs-Ticket die realistische Obergrenze. Und wenn es tatsächlich politischen Konsens darüber gibt, dass man zu diesem Kurs kein bundesweit gültiges Angebot finanzieren kann (weil ja sonst die armen Multimillionäre … ach, ihr wisst schon, was ich meine – andererseits: Wo sind eigentlich die Roten und die Grünen in dieser Regierung, wenn man sie mal braucht?), dann wäre mein Vorschlag: So ein 20-Euro-Ticket müsste für das jeweils ausstellende Bundesland gelten plus mindestens für alle, die unmittelbar daran angrenzen. Wenn ich es in Schleswig-Holstein kaufe, dann wären also Hamburg, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern mit drin usw. Ich würde Thüringen oder Hessen dann zwar ein bisschen beneiden, aber erst mal als grobe Idee kommt mir das nicht doof vor.
Und meinetwegen macht halt ein 25-Euro-Ticket draus – dann aber bitte auch pauschal mit Fahrradbeförderung inkludiert. Der Rhein-Main-Verkehrsverbund zum Beispiel ist auch noch nicht an seiner grundsätzlich freien Radmitnahme gestorben; dann muss man halt öfter mal die Fahrradwaggons einsetzen wie im Metronom (locker 30 Stellplätze in einem Doppelstockwagen) statt immer nur diese Alibiabteile mit drei Klappsitzen, die man immer erst einzeln freidiskutieren muss … Und erst die konsequente Verzahnung von ÖPNV und Fahrrad macht das Gesamtsystem attraktiv genug, um auch außerhalb der Ballungsräume eine ernsthafte Alternative zum Auto zu sein.